Kommentar

Dritter Geschlechtseintrag: „Existieren dürfen als der Mensch, der ich bin“

30. Mai 2018

„Anderes“. So soll zukünftig das juristische Geschlecht für inter* Personen heißen, wenn es nach Innenminister Horst Seehofer geht. Er hat kürzlich einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der umsetzen soll, was das Bundesverfassungsgericht im letzten Jahr beschlossen hat: bis Ende 2018 muss der Gesetzgeber eine dritte Option für einen positiven Geschlechtseintrag schaffen – oder aber, ganz auf Geschlechtseinträge verzichten.

Und nun das: neben „männlich“ und „weiblich“ soll, laut Seehofers Entwurf, „anderes“ stehen. Ich bin entsetzt über diese abwertende und entmenschlichende Wortwahl.

Viel besser finde ich den Vorschlag „inter/divers“, der auch von Familienministerin Franziska Giffey unterstützt wird. Das ist respektvoll formuliert und achtet die Selbstbezeichnung von inter* Personen. Geschlechtliche Selbstbestimmung ist für mich ein Menschenrecht. Dagegen verstößt der Gesetzentwurf des Innenministeriums. Denn nicht nur die Wortwahl ist mangelhaft: das Ministerium knüpft den dritten Personenstand auch an körperliche Eigenschaften und medizinische Begutachtungen und Diagnosen. Er setzt die fremdbestimmende, menschenrechtsverletzende Praxis im Umgang mit inter* Personen leider fort. Und er soll nur offen sein für „Personen, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden können“, das heißt die medizinisch als „inter“ diagnostiziert wurden.

Ich selbst bin trans*weiblich und nicht-binär. Meinen Personenstand konnte ich nur von binär „männlich“ zu binär „weiblich“ wechseln, um meine Dokumente – beispielsweise Geburtsurkunde und Ausweise – auch rechtskräftig ändern zu können. Das entspricht aber nicht meinem inneren Empfinden. Und auch nicht der Lebensrealität vieler nicht-binärer Personen und trans* Personen im Jahr 2018.

Ich wünsche mir, dass der dritte Personenstand für jeden Menschen offen ist, der sich nicht ausschließlich männlich oder weiblich identifiziert. So wie beispielsweise in Neuseeland, wo auch trans* Personen einen dritten Personenstand wählen können.

Im öffentlichen Raum, der fast ausschließlich binär geprägt ist, sind weibliche Anredeform und weibliches Pronomen für mich ok. Dieser Kompromiss ist wichtig für meine Sicherheit. Aber ich wäre glücklich, wenn ich auch offiziell existieren dürfte als der Mensch, der ich bin.

Naomi Noa Donath

Kampagnen zum dritten Geschlechtseintrag:

Offener Brief der Bundesvereinigung Trans* e. V. (BVT*) und des LSVD e. V. an Bundesminister Horst Seehofer
Aktion Standesamt 2018: Für einen positiven dritten Geschlechtseintrag

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