Kommentar

Über Gewalt gegen LGBTI berichten... bitte ohne Rassismus

1. Juni 2018
© INK

LGBTI-Feindlichkeit in Neukölln war in letzter Zeit oft in den Medien. Die Berichterstattung kam dabei nicht ohne rassistische Bilder aus. Hannah Geiger kommentiert

„Die Wut von Neukölln“ heißt es im Tagesspiegel, „was ist nur los in Neukölln?“, geht es weiter. Eine Szene wird beschrieben: Männer sitzen abends in einer Shishabar, trinken Tee. Gemüseverkäufer schließen ihre Läden. Eigentlich ein friedliches Bild, doch Helena Piontek, die Autorin, stellt eine andere Frage: „Diese Ecke Neuköllns ist nachts vielleicht nicht so freundlich, aber ist sie auch gefährlich?“

Worin die Unfreundlichkeit der geschilderten Szene bestehen soll, bleibt unklar. Viele haben rassistische Bilder über Neukölln im Kopf. Auch der rbb hat sich durch eine sehr einseitige Vorankündigung des „Tuntenspaziergang Neukölln“ blamiert. Bei dem queeren Stadtspaziergang zogen letzten Samstag rund 400 TeilnehmerInnen durch Neukölln, um Sichtbarkeit für Dragqueens, Tunten und Queers zu schaffen. Die RednerInnen positionierten sich dabei auch klar gegen Rassismus. Der rbb-Beitrag schließt jedoch: „Der Tuntenspaziergang, eine Demonstration, die deutlich mehr Mut erfordert als alles Gerede über Berliner Multikulti-Seeligkeit“. Der Tenor: Berlin wolle sich als tolerante Stadt präsentieren, Gewalt durch migrantische Jugendliche werde dabei nicht benannt.

Ein Trugschluss, denn in der Realität sieht das ganz anders aus. Männliche geflüchtete Jugendliche oder Jugendliche of Colour werden zunehmend nur noch als Täter, selten als Opfer, Verletzliche oder einfach: Jugendliche gesehen. Gerade beim Thema Homo- und Transphobie scheinen die sogenannten „anderen Kulturkreise“ gerne dafür benutzt zu werden, das Problem auszulagern und in das Südberliner Stadtviertel zu stopfen. Dass man allerdings zweimal hinschauen sollte, zeigt etwa der Maneo Report 2017. Dieser vermeldet, dass im letzten Jahr die homo- und trans*feindlichen Übergriffe in Schöneberg stark überwogen haben. Mit 27% stellt der Bezirk die traurige Spitze dar, Tiergarten folgt mit 12%, dann Mitte mit 8% und erst danach Kreuzberg und Neukölln mit 7%. Überrascht?

Wie bestimmte Situationen auf uns wirken, hat nicht nur mit gemachten Erfahrungen zu tun – sondern auch damit, wie wir unser Umfeld generell betrachten, wie wir sozialisiert wurden und welche angelernten Bilder wir im Kopf haben. In Deutschland sind das oft rassistische Bilder. Der Pressekodex ist ein Beispiel dafür, wie sich die Situation in den letzten Jahren entwickelt hat. Dieser wurde erst kürzlich dahingehend geändert, dass die nationale oder religiöse Zugehörigkeit von TäterInnen genannt werden kann, wenn „ein begründetes öffentliches Interesse besteht“. Diese Regelung wurde eingeführt, weil MediennutzerInnen es vermehrt gefordert hatten und hat dazu geführt, dass die Nationalität von TäterInnen mittlerweile oft mit genannt wird – gerade bei homophoben oder sexistischen Übergriffen.

Natürlich muss man Übergriffe immer ernst nehmen und wird den Betroffenen durch entsprechende Medienwirksamkeit gerecht. Problematisch ist aber, wenn die Berichterstattung so vorurteilsbelastet ist wie in den oben genannten Beispielen. Dadurch werden genau die Stereotype genährt, die momentan hoch im Kurs sind.

In drag oder offen gay durch die Straßen zu gehen, ist leider in keinem Kiez einfach. Let's be clear: Gewalt gegen LGBTI passiert überall. Homo- und trans*feindliche Erfahrungen müssen immer und überall ernstgenommen werden – die Nationalität der Täter sollte dabei aber keine Rolle spielen.

Hannah Geiger

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