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Wie reagiert PlanetRomeo auf die Kritik an der neuen Online-Plattform?

12. Juni 2018 Sascha Osmialowski
Mitarbeiter aus dem PlanetRomeo-Team © PlanetRomeo

2018 soll die Classic-Seite von PlanetRomeo abgeschaltet werden und nur noch die neue Version verfügbar sein. Viele User protestieren dagegen. Jens Schmidt von PlanetRomeo über die Probleme

Seit 2002 gibt es das schwule Dating-Netzwerk PlanetRomeo. Damals ging es als GayRomeo an den Start. Es hat sich viel getan seitdem. Seit einigen Jahren überarbeitet die Firma Romeo BV, die mittlerweile in Amsterdam ansässig ist, die Seite komplett. Neue Funktionen kommen dazu, alte verschwinden. Die bekannte Classic-Plattform ist noch online, soll aber bald vom Netz gehen. Nicht alle User sind darüber glücklich. Auch SIEGESSÄULE erhielt mehrere Mails, in denen sich beschwert wurde, dass die neue Seite benutzerunfreundlich sei, Funktionen fehlen und PlanetRomeo nicht auf Anfragen reagieren würden. Escorts beklagten sich darüber, dass die Suchfunktion schlecht umgesetzt sei und ihre Profile darüber nicht mehr gefunden werden können. Es wurde ein Club gegründet, in dem sich der Protest bündelte. Wir fragten Jens Schmidt, einem der Gründer von PlanetRomeo, wie mit den Problemen umgegangen wird

Jens, was war der Anlass, PlanetRomeo zu überarbeiten? Die Leute nutzen immer mehr ihr Handy als den Computer. Die ehemals großen schwulen Dating-Seiten wie gaydar, gay.com, manhunt und Adam4Adam werden kaum noch genutzt. Die Gefahr sahen wir auch auf uns zukommen. Darauf mussten wir reagieren. Also haben wir eine User-Umfrage gemacht. Heraus kam der Wunsch nach einer Webseite, die auch auf dem Handy funktioniert. Insgesamt waren wir mit der Entwicklung etwas spät dran. Dazu gibt aber es eine Vorgeschichte: Mit einer eigenen App sind wir vor Jahren aus dem App-Store geflogen. Apple war früher sehr unliberal, und nahm sich heraus zu bestimmen, welche User welchen Content sehen dürfen. Nackte Haut war nicht erlaubt. Uns ging es nie um Pornografie, aber wir wollten uns nicht von Steve Jobs & Co vorschreiben lassen, wie unser Produkt auszusehen hat. Das fühlte sich falsch an. Heutzutage ist übrigens eher Google problematisch.

Seit wann gibt es die neue PlanetRomeo-Seite? Im August 2015 wurde die BETA-Version geöffnet. Unser Ziel ist, bis Ende 2018 die Classic-Webseite komplett abzulösen.

Wieso laufen überhaupt zwei Versionen parallel? Wir haben uns die Frage gestellt, wie wir die „Renovierung“ von PlanetRomeo angehen. Das Ganze ist ein sehr umfangreiches Produkt an dem viel technologischer Ballast hängt. Das ist wie ein großer Tanker, den man in eine andere Richtung drehen möchte. Das geht nicht von heute auf morgen. Es gab drei Möglichkeiten. Option 1: Wir testen unsere neue Version bis sie läuft und tauschen an Tag X die komplette Struktur aus. Das wäre für uns die günstigste Variante. Option 2: Das bestehende System wird bei laufendem Betrieb Stück für Stück umgebaut. Das wäre technisch quasi unmöglich gewesen. Option 3: Die parallele Veröffentlichung der neuen und alten Struktur. Mit der Intention: Wir arbeiten so lange an der neuen Version, bis die User damit zufrieden sind und wir damit zufrieden sind. Erst dann wird abgeschaltet. Das ist der Weg, den wir gehen.

Sind 1,5 Jahre nicht ausreichend, um das alles über die Bühne zu bringen?
Zugegeben: Es dauert länger, als gedacht. Classic ist ein wenig wie der Flughafen Tegel. Da wurde viel improvisiert. Das kann man technisch nicht so einfach eins zu eins übernehmen. Bei der neuen Seite soll halt alles passen.

Wäre es keine Option, das Classic-System weiterhin laufen zu lassen? Es wäre auf Dauer wahnsinnig aufwendig und teuer, zwei komplette Systeme weiter zu entwickeln. Nur passiv mitlaufen lassen ist aber auch keine Option. Dann wäre die Entwicklung neuer Features schlichtweg nicht möglich oder der User würde sehr schnell im toten Winkel sitzen und nicht mitbekommen was passiert. Wie zum Beispiel Foto-Likes, davon bekommt man auf Classic gar nichts mehr mit. Außerdem grenzt die Bedienung der Classic-Webseite auf dem Smartphone geradezu an Sadomasochismus (lacht).

Was für neue Funktionen sind außerdem geplant? Und was fällt weg? Interaktivität ist ein großes Thema, gerade auf dem Handy. Wir denken unter anderem an Videochats, die Möglichkeit, Bilder zu sharen und zu liken. Verabschieden werden wir uns von den Kleinanzeigen. Die wurden schlichtweg viel zu selten genutzt.

Es heißt, dass es die Funktion der „Clubs“ im neuen System nicht mehr geben soll. Der Aufschrei ist groß, viele Leute stecken eine Menge Zeit und Arbeit in die Betreuung ihrer Communitys auf planetromeo. Diese Funktion wird es weiterhin geben, nur werden die Clubs im neuen System „Gruppen“ heißen. Das ist ein riesiger Klops an Programmierarbeit, den wir selbst unterschätzt haben. Wir hoffen, im Sommer damit fertig zu sein.

Wie sind ansonsten die Reaktionen auf das neue Planetromeo? Es gibt alles: Von großer Ablehnung bis hin zu „na endlich“. Besonders zu Beginn waren die Rückmeldungen durchwachsen. Vor allem die jüngeren User haben mit der neuen Version scheinbar keine Probleme. Wir haben in Deutschland aktuell rund 470.000 Mitglieder, davon sind ca. 265.000 täglich online. 75% davon nutzen die neue Plattform oder App, 25% die Classic. Das ist die Gruppe, aus der die meisten Reaktionen und eben auch die meisten Beschwerden kommen.

Manche User haben sich bei uns beklagt. Sie fühlten sich von euch nicht ernst genommen, viele Anfragen blieben scheinbar unbeantwortet ... Eine Zeitlang waren wir nicht gut erreichbar. Der Support zu dem Thema war eine Weile abgestellt. Das war ein Fehler. Das haben wir inzwischen korrigiert. Wir lernen dazu und versuchen, mehr zu kommunizieren. Wir wissen auch: Jemand der keine emotionale Nähe zu unserem Produkt hat, der schreibt auch keine eMail. Das sind für uns also sehr wichtige Kunden. Wir sehen Kritik nicht als negativ an. Ganz im Gegenteil. Aber uns ist auch bewusst, dass die neue Version nicht allen Usern gefallen wird.

Es gab einen digitalen Kettenbrief, der forderte „Keep planetromeo classic“. Ja, der hat für viel Wirbel gesorgt bei unseren Usern. Ich glaube, dieser Aufruf ist vor allem emotional als rational motiviert. Es ist schwer, Gewohnheiten zu ändern. Uns ist klar: Wir können nicht jeden User überzeugen. Besonders schwer wird es bei Leuten, die sich seit Jahren in einem bestimmten System zu Hause fühlen.

Außerdem beklagen sich viele Escorts über mangelnde Nachfrage, seitdem die neue Seite online ist. Die Rubrik HUNQZ funktionert angeblich nicht so gut wie die Escort Seiten in Classic. Anfangs hatten wir etwas Wichtiges übersehen: Wir haben bei den Escorts die Reisefunktion vergessen. Die Männer waren eine Weile nur in ihrem Heimatort auffindbar. Auch bei Suchen wurden falsche Orte ausgegeben. Das war ein ganz dummer Fehler, ist aber schon behoben. Außerdem gibt es Herausforderungen, die vor allem rechtliche Hintergründe haben. Wir müssen Planetromeo neutral halten, d.h. freie Escorts von professionellen Escorts (nun HUNQZ) trennen. Profis dürfen laut den Geschäftsbedingungen von Apple & Co. in der App nicht auftauchen. Dafür gibt es eine eigene Webseite, auf der sich die Profis einloggen. Deren Profile werden dann innerhalb der neuen planetromeo Webseite angezeigt, in der alten Version allerdings nicht mehr. Unsere Theorie ist, dass sich viele User, die diese Dienste als Kunden nutzen möchten, nur in die Classic-Version einloggen und die erstmal Escorts dann natürlich nicht finden. Inzwischen hat sich aber wieder alles normalisiert. Ziel ist es, die zahlenden Escorts (HUNQZ) auch für Nicht-Mitglieder von Planetromeo erreichbar zu machen. Freie Escorts wird es auch weiterhin dort geben. Jeder von ihnen kann außerdem einstellen, ob er öffentlich sichtbar sein will.

planetromeo.com

classic.planetromeo.com

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