fair Mieten

Wie werden LGBTI auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert?

26. Juni 2018
Von l. nach r.: Leo Wild (Schwulenberatung), Kathrin Schulz (HVD), Vera Fritz (Sonntags-Club), Stephan Pröpper (gleich & gleich), Pum Kommattam (Lesbenberatung/LesMigraS), Barbara Mellmann (Queer Leben)

Um die Situation queerer Menschen auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu erörtern, organisierte die Fachstelle „Fair mieten – Fair wohnen“ mit dem Humanistischen Verband Deutschland am Montag eine Diskussionsrunde im aquarium. Im Dialog tauschten sich Berliner Wohnungsbaugesellschaften und Hilfsorganisationen mit den SprecherInnen unterschiedlicher queerer Anlaufstellen wie dem Sonntags-Club e.V. aus.

Die Beratungsstellen berichten von zwei Arten der Diskriminierung, mit denen viele Hilfesuchenden kämpfen. In den letzten beiden Jahren sei Diskriminierung in bereits bestehenden Mietverhältnissen entstanden, wie beispielsweise durch homo- oder transphobe Nachbarn. Die Schwulenberatung Berlin schildert, dass sich VermieterInnen in solchen Fällen oftmals entzögen und die Betroffenen auf sich allein gestellt seien. Besonders queere Geflüchtete seien gefährdet, da sie vermehrt Opfer sexueller Nötigung durch Privatvermieter würden.

Eine weitere Form der Benachteiligung entstehe während der Wohnungssuche selbst. Vor allem queere POCs würden aufgrund ihres Aussehens oder aufgrund nicht-deutscher Namen direkt von VermieterInnen abgelehnt. Auch BewerberInnen, die sichtbar trans* seien oder deren Dokumente Namensabweichungen aufwiesen, hätten schlechtere Chancen auf dem Wohnmarkt. Das Gesetz schreibt es nicht vor, Ablehnungsgründe im Bewerbungsverfahren anzugeben – um eine derartige Diskriminierung zu verhindern, sei also eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nötig.

Um den Zugang zu bezahlbaren Wohnungen zu gewähren, müsse man auch berücksichtigen, dass Hilfesuchende oftmals nicht nur von einer Form der Diskriminierung betroffen sind. „Frauen zum Beispiel verdienen in Deutschland immer noch durchschnittlich weniger als Männer. Somit steht einem lesbischen Paar weniger Budget bei der Wohnungssuche zur Verfügung als anderen Paaren“, erklärt Pum Kommattam von der Lesbenberatung und LesMigraS. „Es ist wichtig, diese Intersektionalität im Auge zu behalten.“

Von der allgemeinen Wohnungsknappheit in Berlin sind auch LGBTI-Jugendliche betroffen. Derzeit befinden sich 28 Jugendliche auf der Warteliste des betreuten queeren Jugendwohnens gleich & gleich, doch zusätzliche Vereinswohnungen sind nicht in Aussicht. Auch queere Krisenwohnheime gibt es derzeit keine in Berlin.

Eine Strategie gegen diese Arten der Diskriminierung sei beispielsweise die Unterbringung bei einer Wohnungsgenossenschaft, da diese vor Kündigung schützt und ein Dauerwohnrecht sichert – allerdings sei der Bedarf weitaus größer als das tatsächliche Angebot an Mitgliedschaften. Geschäftsführer von gleich & gleich, Stephan Pröpper, weist außerdem auf eine Art „queere Quote“ in der Vergabe des Wohnraums hin, die bereits in der Vergangenheit existierte. Einige WohnanbieterInnen berücksichtigten diese in ihrer Auswahl der MieterInnen und  suchten dafür die Zusammenarbeit mit queeren Trägern. Er hält es für sinnvoll, eine derartige Quote für queere BewerberInnen wieder einzuführen. Darüber hinaus sollten auch junge Menschen auf Suche nach einer Erstwohnung unterstützt werden.

Weiterhin wünschen sich die Fachstellen dringend mehr Förderung von staatlicher Seite. So gebe es beispielsweise keine konkreten Zahlen zu queerer Obdachlosigkeit und Diskriminierungsfällen aufgrund sexueller und geschlechtlicher Identität in Deutschland, da bisher keine Studien finanziert worden seien. Als weitere Lösungsansätze sind Aufklärung und Sensibilisierung von WohnanbieterInnen durch Broschüren und Kampagnen geplant.

Elliot Zehms

fairmieten-fairwohnen.de

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.