Critical Mass

Gegen Automachos: Queere Frauen* erobern die Straße!

16. Aug. 2018
Critical Mass in Budapest, 2009 © Marion Schneider & Christoph Aistleitner

Unter dem Motto „Let's queer the streets“ radelt morgen die FLTI* Community für die Mobilitätswende und gegen Männlichkeitsklischees durch Berlin

Freitag, den 17. August, kommt die Initiative #LetsQueerTheStreets auf den Straßen von Berlin ins Rollen. Geneigte Fahrradfahrer*innen aus der FLTI*-Community sind herzlich eingeladen, daran teilzunehmen. Hinter dem Hashtag steckt eine „Critical Mass“ oder „CM“, wie diese mittlerweile weltweit praktizierte Aktionsform heißt. Es handelt sich dabei um spontane Proteste nicht motorisierter Verkehrsteilnehmer*innen.

Die kritische Masse, die sich diesen Freitag bilden soll, trifft sich um 19 Uhr am Mariannenplatz, an der Ecke Waldemarstraße. Von Kreuzberg aus geht es gut zwei Stunden lang gleichsam kreuz und queer durch die Hauptstadt. Hoch zu Stahlroß, wobei auch Inline-Skater*innen gerne gesehen werden.

„Wir sind Frauen, Lesben, Trans-, Non-Binary- und Inter-Personen“, erklärt Radenthuisiastin Lara, 28 Jahre. „Zusammen treten wir in die Pedale gegen Männlichkeitsklischees und für die Mobilitätswende. Wir wollen entspannt unterwegs sein. Ohne Automachos, ohne Mansplaining. Wir nehmen uns den Raum und lassen uns nicht verdrängen.“ Die Neuköllnerin Lara ist Unterstützerin von #LetsQueerTheStreets. Gemäß der Philosophie der CM-Szene hat diese Aktion keine zentrale Organisation. Hierarchien sind verpönt. So ruft einfach irgendjemand via Internet, Mundpropaganda oder Plakate zum mobilen Flashmob auf, nennt den Anlaß, den Ort sowie den Zeitpunkt – und los geht´s.

Der Aufruf für dieses Mal richtet sich an Personen, die sich als weiblich definieren, die weiblich sozialisiert wurden oder die sich jenseits des binären Geschlechtermodells von „männlich“ und „weiblich“ verorten. Neben Genderpolitik spielen auch die Themen Gesundheit, Straßensicherheit und Umwelt eine Rolle. So berühren sich die Beweggründe für die morgige Zusammenkunft wie die Speichen eines Rades, die die Naben und die Felgen miteinander verbinden.

Die CM-Szene ist 1992 in San Francisco entstanden. Angeregt wurde sie durch den damals gerade erschienenen Dokumentarfilm „Return of the Scorcher“ von Ted White. Der Fahrradkonstrukteur George Bliss zeigt darin anhand von Beispielen aus China und den Niederlanden dass, wenn viele Radfahrer*innen sich sammeln und gemeinsam die Straße überqueren, sie den Autoverkehr zum Erliegen bringen können. Bliss nannte dieses Phänomen die „Critical Mass“.

Der Begriff ruft die eine oder andere Lektion aus der Physik ins Gedächtnis. Die kritische Masse, die Lara und ihre MitstreiterInnen antreibt, setzt freilich nicht auf Kernspaltung, sondern ruft im Kern zu Solidarität auf. Lara ist, wie sie erzählt, außerdem noch durch einen anderen Film inspiriert: die Doku „Ovarian Psychos“ von Joanna Sokolowski und Kate Trumbull-Lavalle von 2017. Im Fokus dieses Films steht eine feministische Bike-Gang aus East Los Angeles. Für die neue FLTI*– Critical Mass in Berlin hofft Lara auf rege Teilnahme und eine regelmäßige Fortsetzung. Viele haben sich schon online angekündigt, über 500 haben auf Facebook auf „interessiert“ geklickt.

Übrigens, wenn bereits 15 Radfahrer in konzentrierter Dichte fahren, bilden sie nach § 27 StVO einen geschlossenen Verband, der ohne Unterbrechung auch bei Rot über die Kreuzung fahren darf. Vorraussetzung dafür ist nur, dass die erste Fahrerin die Ampel noch bei Grün passiert hat. Es geht also um den engen Zusammenhalt – ob auf dem Asphalt oder im Alltag.

Michaela Dudley

Critical Mass FLTI* only: Let's queer the streets,
17.08., 19:00, Mariannenplatz/Ecke Waldemarstraße
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