Kommentar

Make Schwulenberatung great again!

25. Sept. 2018
Solidarität mit dem RuT-Wohnprojekt © Anett Audehm

Ein Kommentar zum Verhalten der Schwulenberatung im Vergabeverfahren um das Grundstück am Südkreuz und zur Solidarität der Community gegenüber dem Lesbenwohnprojekt von RuT

Noch nie habe ich einen Text mit den Worten „Ich habe ja nichts gegen Schwule, aber...“ begonnen. Und die Schwulenberatung wird mich auch jetzt nicht dazu bekommen! Wogegen ich allerdings etwas habe, sind Menschen, denen Gewinnen um jeden Preis wichtiger ist, als politisches Handeln oder Solidarität mit Schwächeren. In unserem Fall sind dies die Männer um die Geschäftsführung der Schwulenberatung, die vollkommen beratungsresistent und stur ihren Protest gegen das Grundstücks-Vergabeverfahren durchgezogen haben und nunmehr den Zuschlag bekamen, den zuvor noch das Lesbenprojekt RuT e.V. bekommen hatte.

Ob sie sich wirklich darüber freuen können? Findet doch ein großer Teil der Community die Schwulenberatung mittlerweile eher kritikwürdig und extrem unsympathisch wegen dieses Verhaltens. Selbst in den eigenen Reihen herrscht Unbehagen, denn viele Mitarbeiter der Schwulenberatung schämen sich für das Vorgehen ihrer Leitung, wie man in Szenekreisen längst weiß.

Die wohl größte und mit dem meisten Geld ausgestattete Institution der LGBT-Community Berlins hat einen zweifelhaften Triumph davon getragen. Sie haben mit ihrem Protest das endgültige Aus für ein seit nunmehr 10 Jahren geplantes und wartendes Wohnprojekt von und für Lesben zu verantworten. Derweil sind die ersten Beteiligten des lesbischen Projekts bereits verstorben und viele nunmehr auf dem Weg in gewöhnliche, oft unangenehme Alten- und Pflegeheime, denn das Wohnprojekt für alte Lesben wird es nicht nur vorerst, sondern wahrscheinlich nie mehr geben. Aber das war den Mitstreitern um Schwulenberatungs-Geschäftsführer Marcel de Groot ganz offensichtlich egal.

Das Vergabeverfahren sei ungerecht gewesen, war ihr Argument. Mag sein, aber ehe ich Protest einlege, sollte ich die Folgen bedenken. Und, statt von Eitelkeit und Erfolgsstreben getrieben, überlegen, ob ein politisch kluges und communitynahes Handeln hier vielleicht angesagt gewesen wäre – zum Beispiel ein Verzicht auf das nunmehr 3. Wohnprojekt der eigenen Organisation zugunsten eines anderen.

Engstirnig könnte man nun behaupten „typisch männlich“. Ich behaupte „typisch habgieriges, rechthaberisches und bei Kränkung kindlich zurückschlagendes Wesen“ – Menschen, die nicht verlieren können, gibt es eben nicht nur bei Bayern München, sondern leider auch in schwul.

Dass es auch anders geht, bewies eine selten so dagewesene Solidaritätsaktion mit dem RuT e.V., in der sich ganz unvermutet Teile der Community zusammentaten. Das Besondere daran: Hier kämpften viele verschiedene Gruppen – darunter wohlgemerkt viele schwule und trans* Projekte – für das Ziel EINER Gruppe, nicht für die eigenen. In der weisen Voraussicht, dass eine solche Einheit stark macht, ein gutes Beispiel für andere gibt und sich auch gut anfühlt.

So gesehen, müssen wir der Schwulenberatung dankbar sein, hat sie doch zu einer Solidarisierung und einem Schulterschluss innerhalb der Community geführt, die alle Beteiligten gestärkt hat und uns für vieles, was da politisch noch auf uns zukommt, schonmal üben ließ. Und während Marcel de Groot wahrscheinlich vor dem Spiegel schon große Siegesreden übt „Make Schwulenberatung great again!“, bereiten wir uns darauf vor Eigennutz und Spaltungswillen dort zu bekämpfen, wo er auftaucht, auch in den eigenen Reihen.

Das RuT musste eine geradezu alles vernichtende und bewusst herbeigeführte Niederlage erleiden. Aber was unsere Community nicht umbringt, macht uns eben härter und vor allem klüger. Schade, dass die Schwulenberatung kein Teil mehr unserer Community ist.

Manuela Kay

Manuela Kay ist Mit-Herausgeberin der Siegessäule und Mitglied des Kuratoriums des Wohnprojekts des RuT e. V.

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