Siegessäule präsentiert

Festival der Triebe: Das 13. Berliner Pornfilmfestival

19. Okt. 2018
Ein polyamoröser Road-Trip an der argentinischen Küste im PFF-Eröffnungsfilm "Las Hijas del Fuego"

Zum 13. Mal findet das Pornfilmfestival statt. Gegründet von Filmemacher Jürgen Brüning, kann sich das Event über jährlichen ZuschauerInnenzuwachs freuen und wird 2018 womöglich die Marke von 10.000 verkauften Tickets knacken. Wie immer steht ein Programm von weit über 100 Filmen an. Es geht um Sex, Liebe und Triebe, aber genauso um Neugier, Fantasie und Körperpolitik.

Jenseits des Atlantiks

Ein Schwerpunkt 2018 ist „Lateinamerika mit mehreren Spiel- und Dokumentarfilmen aus Brasilien, Mexiko und Argentinien“, sagt Festivalkurator Jochen Werner, Filme, „die sich auf eine sehr politische Art und Weise mit Körper, Gender und Sexualität auseinandersetzen“. Da eilt der argentinischen Produktion „Las Hijas del Fuego“ schon ein Ruf voraus, der sie als Eröffnungsfilm prädestiniert. Beim Buenos Aires Festival Internacional de Cine Independiente erhielt der Film als „obra intensa, poética, pornográfica y militante“ (intensives, poetisches, pornografisches und militantes Werk) den Preis als bester Wettbewerbsfilm. Es geht in der Literaturverfilmung zwar um Sex und Lust, aber auch um die schwesterliche Solidarität der Protagonistinnen. Ein sexpositives Roadmovie, das die KuratorInnen alle begeistert habe, sagt Werner.

Zwei Filme, die in diesem Jahr bei der Berlinale mit dem Teddy prämiert wurden, sind Teil des Südamerika-Schwerpunkts: „Bixa Travesti“ (Tranny Fag) zeigt die Sängerin und trans*Aktivistin Linn da Quebrada bei ihrem lautstarken Kampf gegen Rassismus und Homophobie – mit ganzem Körpereinsatz (Bester Dokumentarfilm). In „Tinta Bruta“ (Bester Spielfilm) geht es um Pedro, der sein Leben mit Internetauftritten finanziert, bei denen er als „Neonboy“ seinen nackten Körper mit fluoreszierenden Farben bemalt und sich eines Tages aus der Sicherheit der Chaträume herausbegibt. „La Región Salvaje“ aus Mexiko gehört ebenfalls zum Festival-Fokus; eine Story um homosexuelle Lust und Entfesselung verdrängter Begierden mit dämonischer Komponente.

Schwulenidol mit Bravo-Boy-Frisur

Die Retrospektive ist der Porno-Ikone Peter Berlin gewidmet, die auch als Ehrengast erwartet wird. Mit nur zwei Filmen, „Nights in Black Leather“ und „That Boy“ – beide im Festivalprogramm wie auch seine Kurzfilme, die allesamt digital restauriert wurden –, sowie seinen Selbstporträts wurde er in den 70er-Jahren zum Schwulenidol einer ganzen Generation. Trotz seiner für heutige Sehgewohnheiten eigenwilligen Bravo-Boy-Frisur. Als besonderes Event kündigt Werner den Klassiker „Eis am Stiel“ an, Nostalgie fürs Zwerchfell und nicht zuletzt ein Berlinale-Film (1978), der jetzt „einer neuen Generation gezeigt“ werden soll. Damals war er bahnbrechend ...

Besonders beliebt ist die Sektion der Kurzfilme, die in so aufregenden wie unterschiedlichen Programmen wie Fun Porn Shorts, Dark Vision Shorts oder, ganz innovativ, als Palimpsest Porn Shorts präsentiert werden. Letzteres mit neu bearbeiteten filmhistorischen Fundstücken. Der Abschlussfilm „The Artist and the Pervert“ um den österreichischen Komponisten Georg Friedrich Haas und seine Frau Mollena William-Haas zeigt eine Beziehung zwischen einem weißen Meister und seiner Schwarzen Sklavin. Das Filmdebüt der Filmjournalistin Beatrice Behn wird sicher für reichlich Diskussionen sorgen.

Umschlagpunkt der Szene

Das PFF hat sich im Lauf der Jahre immer mehr auch zum Treffpunkt der Branche entwickelt. Networking ist einer der wesentlichen Bestandteile und öfter kommt es zur Zusammenarbeit zwischen internationalen FachbesucherInnen und Fachleuten und es entstehen direkt neue Filme durch die internationale Ballung von Talent. Maßgeblich am Erfolg des Festivals ist seit Jahren das Team des Moviemento Kinos beteiligt, das alle Interessierten, egal welchen Alters oder welcher Szene zugehörig, willkommen heißt und so „einen besonderen Raum schafft“. Auch wenn der Rahmen des Veranstaltungsorts aufgrund des Zustroms fast aus den Nähten platzt. Aber diese Räume sind „einfach unser Zuhause geworden“, sagt Werner. Deshalb wurde zusätzlich das Babylon Kreuzberg ins Boot geholt. Dort laufen u. a. Publikumsmagneten wie die Lesbian Porn Shorts oder Competition Shorts.

Im Spektrum in der Bürknerstraße gibt es Filme und Panels. Etwa zum Thema „Fucking Pay For Your Porn?!” Das betrifft sowohl die Produktionsbedingungen als auch das Konsumverhalten in Zeiten von Youporn … Wie kann AbnehmerInnen klargemacht werden, dass auch hier die Beteiligten davon leben können müssen? Interessant auch das Panel „Porn vs the Mainstream”, u. a. mit der Fragestellung „Wie sieht es aus, wenn TV-Formate sich mit dem Thema Pornografie oder Sexarbeit auseinandersetzen?” Preise für den jeweils besten Kurz-, Dokumentar- und Spielfilm gibt es am Ende des Festivals. Und spätestens bei der Abschlussfete im Monarch nach der Preisverleihung wird gefeiert, bis die Wolken wieder lila sind.

Frank Hermann

SIEGESSÄULE präsentiert:

13. Pornfilmfestival Berlin
23.–28.10., Moviemento, Spektrum, Babylon Kreuzberg, Altes Finanzamt
Festivalparty, 26.10., 22:00, Lido
Preisverleihung und Abschlussparty, 28.10., 23:00, Monarch

pornfilmfestivalberlin.de

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