Interview

Porn-Legende Peter Berlin: „Viel Leid wird durch Hetero-Männer verursacht“

6. Nov. 2018
© Peter Berlin

Er spielte in einflussreichen Hardcorefilmen („Nights In Black Leather“, 1973) mit, wurde zur Vorlage für Zeichnungen von Tom of Finland, ließ sich von Größen wie Andy Warhol oder Robert Mapplethorpe fotografieren und fotografierte selbst Stars wie Alfred Hitchcock und Brigitte Bardot: Peter Berlin.

Im Oktober war Peter noch auf dem Cover der SIEGESSÄULE und als Ehrengast für das 13. Pornfilmfestival Berlin geladen – doch leider sagte der in San Francisco lebende Künstler und Fotograf seinen Besuch in Deutschland ab.

SIEGESSÄULE-Autor Jeff Mannes hat sich mit der heute 75-jährigen Ikone unterhalten

Peter, du hast in den 70er-Jahren schwulen Sex geprägt. Was machst du heute? Na, ich wohne in San Francisco und bin heute uralt. Seit 15 bis 20 Jahren bin ich nicht mehr ausgegangen. Die Geilheit ist ja auch nicht mehr da. Ich habe mich sehr zurückgezogen und die meisten Menschen finde ich uninteressant. Aber es wäre ganz schön, noch einen Partner zu haben. Damit meine ich jedoch keinen Boyfriend. Hast du einen Boyfriend?

Nein, ich bin Single. Gut! Denn ein Boyfriend ist das Schlimmste, was einem passieren kann. Das habe ich gleich beim ersten Mal, so mit 16 oder 17 Jahren, gemerkt. Als das auseinanderging, hat das sehr wehgetan. Ich dachte mir: Nein, ein Masochist bin ich nicht! Daraus habe ich gelernt: Sex und Freundschaft soll man nicht vermischen. Ich würde jedem jungen Menschen raten, eine gute Zeit zu haben. Aber das Beste, was dir passieren kann, sind gute Freundschaften. Meine Freunde sind nun leider gestorben. Ich bin einer der wenigen, die übrig geblieben sind. Sie fehlen mir. Darüber hinaus habe ich Ideen für ein Projekt und suche jemanden, mit dem ich das verwirklichen kann, bevor auch ich meine Augen schließe.

Was wäre das denn? Idealerweise ein Film, in dem ich meine Philosophie erklären kann. Viel Leid in der Welt wird durch meist heterosexuelle, junge Männer verursacht. Männer, die laut grölen, gemein und gewalttätig werden, vergewaltigen, in den Krieg ziehen; so was machen Schwule seltener. Ich glaube, es hängt damit zusammen, dass heterosexuelle Männer nicht so sein dürfen, wie sie möchten. Es gibt so viele Regeln, die ihnen vorschreiben, wie sie zu sein haben, um als „richtige Männer“ zu gelten.

Das nennt man im Feminismus ja oft „toxische Männlichkeit”. Genau davon spreche ich! Die sanfte Seite, die ein Mann haben kann, wird verpönt. Männer dürfen sich körperlich nicht nahekommen. Frauen umarmen sich, geben sich Küsse. Männer müssen ständig stark sein und dürfen männliche Körper nicht anziehend finden. Und das frustriert. Ich glaube, die ganze Misere des Planeten ist verschuldet durch junge, heterosexuelle Männer.

Warum bist du denn nicht zum Pornfilmfestival gekommen? Ich heiße ja bürgerlich Armin, Peter ist seit 20 Jahren tot. Der Produzent meines letzten Films wollte mich zum Festival bringen, aber ich sehe mich dort nicht. Ich mag nicht dauernd mit so vielen Menschen sprechen und Selfies machen müssen. Das ist nicht so meins. Ich war schon immer eher schüchtern.

Jeff Mannes

Selbstportrait: Peter Berlin heute © Peter Berlin

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