Musik

Über Schicksalsschläge und Therapie: Robyn im Interview

28. Nov. 2018
Robyn © Mark Peckmezian

Acht Jahre nach „Body Talk“ veröffentlicht Robyn nun endlich ihr neues Album „Honey“. Nach persönlichen Schicksalsschlägen und einer depressiven Lebensphase erschloss sich der schwedische Superstar im Alleingang eine neue künstlerische Arbeitsweise – das Ergebnis sind eher softe R’n’B-Songs, die weit weniger Richtung Popcharts und Dancefloor schielen, als es die erste Vorabsingle „Missing U“ erwarten lässt. Manuel Hofmann traf Robyn für SIEGESSÄULE zum Gespräch

Robyn, du hast sehr lange am neuen Album gearbeitet.
Es war eine sehr lange Zeit, viel länger als ich jemals für ein Album gebraucht habe. Ich wusste zwar, welche Art von Musik ich machen wollte, aber mir fehlten die Fähigkeiten, diese auch umzusetzen. Also habe ich viel Zeit damit verbracht, besser produzieren zu lernen. Ich war fast ein ganzes Jahr alleine im Studio.

Wie war diese Zeit? Sehr intensiv und schwierig, aber auch sehr spannend. Da ich nicht wusste, wie viele Dinge funktionieren, war ich ziemlich langsam. Ich habe zwar mein ganzes Leben gesehen, wie andere Leute produzieren, und hatte auch schon vorher einige Sachen selbst gemacht. Aber Drums zu programmieren und so weiter war etwas ganz Neues für mich. Als ich dahinterkam, wie es funktioniert, war es großartig: Es war toll, mit Soundideen für die Musik zu starten, anstatt mit dem Songwriting zu beginnen. Ganz anders also, als ich es zuvor gemacht habe.

Du hast gesagt, dass das Album sehr verletzlich, sinnlich und persönlich geworden sei. Kam das durch das Alleinsein im Studio? Ich denke schon. Ich brauchte einfach Zeit mit mir, um diese Verletzlichkeit auch zulassen zu können. Man muss offen sein, ohne zu wissen, was passieren wird. Ich war zu dieser Zeit sehr traurig und auch in Therapie. Ich fühlte mich verletzlich. Aber das hat auch geholfen: Ich konnte nicht alles durchboxen und erzwingen.

Haben sich durch die Therapie auch dein Songwriting und deine Arbeit an der Musik verändert? Therapie und Musik machen sind zwei sehr unterschied- liche Dinge. Aber die Psychoanalyse hat mir auf jede erdenkliche Art und Weise als Mensch geholfen. Das hat definitiv beeinflusst, wie ich Musik mache.

Dich besser als Mensch zu kennen hat dabei geholfen, Songs zu schreiben, die persönlicher sind? Ja, genau. Weil es darum in einer Therapie geht: Der Punkt ist nicht, irgendwas zu lösen. Es geht mehr darum, die eigenen Gefühle besser zu verstehen. Das gab mir ein neues Vokabular. Außerdem sind auch noch andere Dinge passiert: eine Trennung, ein Freund starb – es war eine dramatische Zeit. Ich dachte gar nicht mehr daran, ein Album zu machen. Ich wollte zu einem Punkt kommen, wo sich Musikmachen wieder gut anfühlt. Ich fragte mich: Welcher Groove tut mir gut, wie will ich tanzen, welche Akkorde machen mich glücklich? Es war ganz einfach.

Musik produzieren ist ein sehr technischer Prozess. Ich habe ein paar der Programme gesehen und finde sie spannend, aber gleichzeitig ziemlich einschüchternd. Kannst du das nachvollziehen? Ja, definitiv. Das ist eine der Sachen, bei denen mein verstorbener Freund Christian Falk so inspirierend war: Er nutzte Technologie immer auf eine sehr punkige Art. Sie diente ihm dabei, das zu machen, was er wollte. Das war eines der wichtigsten Dinge, die ich von ihm gelernt habe. Sein Tod hat mich tatsächlich noch näher an seine Art zu denken herangeführt. So ist das eben oft: Wenn Menschen sterben oder verschwinden, erinnert man sich noch lebhafter an sie – eben gerade, weil sie nicht mehr da sind.

Darum geht es in „Missing U“. Ja, genau. Ich hatte dabei fast Christians Stimme in meinem Kopf: „Du musst es probieren, schieb es nicht auf. Du musst das ergründen.“

Und wie hast du den Umgang mit der ganzen Computertechnik dann schlussendlich gelernt? Das ist keine Zauberei, ein Computer ist nur eine Maschine. Du kannst dich entscheiden, was du mit ihr machst. Es braucht Zeit, und wenn es dir niemand zeigt, kann es sehr einschüchternd sein. Aber wenn man es Stück für Stück lernt, merkt man, dass es nicht so schwierig ist. Außerdem war ich zu der Zeit superdeprimiert. Neues auszuprobieren, wie zum Beispiel eine Drum Machine, vor der ich Angst hatte, war immer noch besser als all die anderen Dinge, die zu dieser Zeit in meinem Leben passierten. Ich glaube wirklich, dieser Prozess war meine große Befreiung. Es entstand damit ein Ort, an dem ich mich wieder frei und glücklich fühlen konnte.

Für dein neues Video hast du Menschen nach bestimmten Kriterien gesucht: zum Beispiel hetero, LGBTQ, gender non-conforming und mit diversen ethnischen Hintergründen. Steckte ein politisches Statement dahinter? Es ist schwer zu sagen, was politisch ist und was nicht. Für mich wäre es nicht interessant, ein Video zu machen, das nicht meine Fans repräsentiert. Aber es geht nicht darum, irgendjemanden zufriedenzustellen. Ich wollte einfach interessante Leute dabeihaben.

Anfang Herbst war die Parlamentswahl in Schweden, bei der die Rechtspopulisten ein ziemlich krasses Ergebnis eingefahren haben. Aber auch im Rest Europas gibt es derzeit Probleme mit rechten Strömungen. Gibt es vor diesem Hintergrund eine Notwendigkeit, auch als Künstlerin direkter mit politischen Statements zu werden? Ich bin sehr direkt politisch als Bürgerin, zumindest in Schweden. Ich behandele politische Themen aber nicht primär in meiner Musik, ich rede lieber darüber. Ich habe nichts gegen politische Musik, manche Leute machen das großartig, aber in meiner Kunst geht es mehr um die menschliche Verfassung.

Letztes Jahr hast du gemeinsam mit Mr. Tophat, der auch an deinem neuen Album mitgearbeitet hat, ein Set in der Panoramabar des Berghain gespielt. Erinnerst du dich an den Nachmittag? Wie war’s? Es war viel wärmer und intimer, als ich es erwartet hatte. Ich war superaufgeregt und hatte Angst. Ich werde sogar noch nervös, wenn ich jetzt daran denke. Aber als wir angefangen hatten, war es ein großartiges Publikum. Natürlich sagen das die meisten Leute über das Auflegen in der Panorama Bar. Aber ich dachte nicht, dass es für mich so ist, weil ich kein DJ bin. Wir haben ein spaßiges Set gespielt: Ich hab alte Demos von Prince und Gospelmusik aufgelegt. Es war eine wirklich tolle Stimmung.

Interview: Manuel Hofmann

Robyn: Honey (Konichiwa Rec./Embassy One), jetzt erhältlich

30.11., First Year of Plastic x Adventure(s) x Crush, 23:00, SchwuZ. Ein Floor wird an diesem Abend nur mit Robyn-Songs und Remixen bespielt

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