Buch

Jenseits identitärer Zuschreibungen: „Freiheit ist keine Metapher"

15. Nov. 2018
Vojin Saša Vukadinović © Marcus Witte

Am Freitag wird im Eisenherz der Sammelband „Freiheit ist keine Metapher" vorgestellt. Herausgeber Vojin Saša Vukadinović spricht über seine Kritik an Genderfeminismus, Antirassismus und Queerfeminismus

Die aktuelle Wendung des Antirassismus und Queerfeminismus karikiert Bestrebungen nach Emanzipation, so eine provokante These des neuen Sammelbandes im Querverlag. Mit „Freiheit ist keine Metapher. Antisemitismus, Migration, Rassismus, Religionskritik“ setzt der Geschlechterforscher und Historiker Vojin Saša Vukadinović einen neuen Schwerpunkt in den aktuellen sexualpolitischen Debatten. Patsy l’Amour laLove, selber Herausgeberin im Querverlag, traf sich mit Saša zum Gespräch

Saša, dein Band setzt die von LiebhaberInnen wie KritikerInnen als „Kreischreihe“ bezeichneten Debattenbände des Querverlags fort, zu denen auch „Beißreflexe“ von 2017 gehört. Passt diese Einreihung zu deinem neuen Buch? Ja, hervorragend. Das Format ist in solch diskussionsunfreudigen Zeiten ein Glücksfall. Die Fragestellungen, die in „Freiheit ist keine Metapher“ aufgegriffen werden, schließen an wesentliche Themen aus „Beißreflexe“ und „Feministisch streiten“ an. Außerdem teilen sie mit „Lesben raus!“ das Anliegen, Stimmen zusammenzuführen, die so noch nicht gebündelt vernehmbar waren. Und wie in „Selbsthass & Emanzipation“ erinnert auch dieser Band an das historische und politische Glücksversprechen der Emanzipation.

Welche neuen Schwerpunkte bringt dein Band in die Debatten?
Die Artikel widmen sich aus sexual- und geschlechteremanzipatorischer Perspektive Antisemitismus, Migration, Rassismus und Religionskritik. Sie führen dabei eine Kritik an der Maßregelung des Begehrens, feministische Fragestellungen oder eben einen Fokus auf gleichgeschlechtliches Lieben und Leben zusammen. So wird auch Freiheit neu thematisiert. Alle Beitragenden wissen um deren prekären Zustand und versuchen, dem etwas entgegenzusetzen: Denn dass Freiheit existiert, bedeutet nicht, dass sie gesichert ist. Das ist die thematische Klammer des Sammelbandes.

Du warst vor einiger Zeit Mitglied des migrationspolitischen Netzwerks Kanak Attak. Spielt das heute in das Buch hinein? Nicht direkt, aber meine Kritik am Identitätsfuror der Gegenwart kommt teils von dort. Kanak Attak sorgte etwa zehn Jahre lang für erhebliche Unruhe im Antirassismus und in der politischen Öffentlichkeit. Die Gruppe machte Schluss mit dem öden Gequassel von migrantischer Hybridität, also einem angeblichen Jetten zwischen den Kulturen, oder der viktimisierenden Rede vom Leiden zwischen den Stühlen. Der Gedanke war, sich gegen die Frage nach Pass oder Herkunft zu wenden, um gemeinsam politisch zu handeln – jenseits identitärer Zuschreibungen. Es gibt Menschen, deren Leben migrantische Komponenten aufweist, entweder in der eigenen Biografie oder in der ihrer Eltern. Und es gibt Deutsche, die etwas gegen rassistische Gesetzgebungen, Denkformen, Bilder und so weiter machen wollen. Das geht sehr wohl zusammen. Das zu betonen ist mir deshalb so wichtig, weil heute ständig von angeblich fixen Kollektividentitäten die Rede ist, die höchstens als „Verbündete“ oder „Allies“ zusammenfinden dürfen – aber mehr auch nicht. Dies zu überwinden, ist auf jeden Fall ein Anliegen des Bandes.

Die Ankündigung zum Buch verspricht tiefergehende Analysen unter anderem zu Rassismus. Eine Frage, die sich dabei immer wieder stellt: Wie sieht eine sinnvolle Rassismuskritik aus – gerade auch aus homosexueller Perspektive? Ein Sammelband allein wird das nicht abschließend klären, denn Rassismus hat sich historisch oft gewandelt und bestimmt sich in der Gegenwart über seine Konjunkturen. Er kann jedoch Anstöße geben, wie es besser geht. Dazu gibt es einige Beiträge – unter anderem von der Frage ausgehend, warum heute solch krude Theorien wie „Critical Whiteness“ so viel Raum einnehmen. Ein Anreiz zum Weiterdenken dürfte also gegeben sein.

„Beißreflexe“ wurde letztes Jahr in einem SIEGESSÄULE-Interview dafür kritisiert, dass angeblich keine People of Color mitgeschrieben hätten. Grund dafür war, dass nur ein Name gefunden worden sei, der als „nicht weiß gelesen“ wurde. Wie sieht das hier aus? „Freiheit ist keine Metapher“ ist kein „PoC“-Buch, sondern eines, in dem Individuen schreiben, die viel zu ihrem jeweiligen Thema zu sagen haben. Alle Beitragenden würden sich ethnisierender Eingemeindung scharf verwahren. Auch ich würde niemals derartige Begriffe verwenden, um damit Politik zu machen. Es geht darum, Gesellschaftsanalysen vorzulegen und reaktionäre Tendenzen zu kritisieren – nicht um das Stiften von Kollektiven.

In Debatten wurde oft die Haltung eingenommen, dass man den Islam nur kritisieren solle, wenn man gleichzeitig auch das Christentum oder die AfD kritisiert. Sonst spalte man und spiele den Rechten in die Hände … Zu behaupten, man könne die repressive Seite einer Religion nicht untersuchen, ohne gleichzeitig andere in die Analyse mit einzubeziehen, ist seltsam. Mir ist umgekehrt nie der Vorwurf untergekommen, dass man sich Kritik an katholischer Sexualmoral verbittet, solange von sunnitischer nicht die Rede ist. Hinter der Vorstellung, Konflikte zu vermeiden, um „den“ Rechten nicht in die Hände zu spielen, steckt linker Populismus: Man solle sich immer zuvörderst auf einen gemeinsamen Gegner einstimmen, jede Kritik an der Linken stärke das andere Lager – das ist kein Argument, sondern moralische Erpressung. Aktuell gibt es auch deswegen ein akutes Interesse daran, intelligent über Probleme nachzudenken, die von links wie von rechts auf grelle Schlagwörter heruntergebrochen werden: Rassismus, Antisemitismus und Migration eben.

Du giltst als Courtney Love der Geschlechterforschung – unter anderem wegen deines polemischen Stils … Polemik ist ein hervorragendes Stilmittel. Sie bringt Bewegung in Erstarrtes. Das zu beanstanden oder gar mit Pöbeln zu verwechseln – das kann man wirklich nur dann, wenn man noch nie einen Text von Gabriele Goettle, Gisela Elsner oder Elfriede Jelinek gelesen hat. Genau solche intellektuellen Defizite werden regelmäßig auf mich projiziert. Diese Autorinnen waren in vielerlei Hinsicht meine Lehrerinnen. Sie schrieben in den 1970er-Jahren für die dezidiert polemische Zeitschrift Die Schwarze Botin, die einzig das Ziel verfolgte, aus der Frauenbewegung kommend eine Kritik an der Frauenbewegung zu formulieren. Diese Sprach-, Denk- und Satiretradition ist absolut verschüttgegangen; ich arbeite gerade an einer Anthologie dazu. „Freiheit ist keine Metapher“ ist dennoch ein vornehmlich analytisches Buch.

Patsy l’Amour laLove

Freiheit ist keine Metapher, Lesung und Diskussion, 16.11., 20:30, Eisenherz
Zu Gast: Herausgeber Vojin Saša Vukadinović und die Autorinnen Judith Sevinç Basad, Lena Rackwitz und Zeinab Shaker

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