„Soldier Studies“

Cross-Dressing in der Wehrmacht: Interview mit Martin Dammann

27. Dez. 2018
(c) Sammlung Martin Dammann

Das hätte man heutzutage kaum noch für möglich gehalten: Ein Bildband, der Männer in „Frauenklamotten“ zeigt, sorgt für Furore. Doch „Soldier Studies“ von Martin Dammann wurde in den Medien wie in den sozialen Netzwerken breit rezipiert und geteilt. Der Untertitel „Cross-Dressing in der Wehrmacht“ macht klar, woran das liegen könnte.

Wir haben Dammann zur Entstehung des Bildbandes und zu der großen – auch befremdlichen – Faszination an dem Buch befragt

Martin, du sammelst ja schon seit vielen Jahren diese Fotos und auch eine kleine Ausstellung war ja bereits seit 2007 zu sehen – das Buch "Soldier Studies" hat nun aber ein wirklich bemerkenswertes Echo in den Medien und Sozialen Netzwerken hervorgerufen. Wie erklärst du dir persönlich dieses plötzliche starke Interesse an deinem Buch und dem Thema? Im Grunde wundert mich, dass die Fotoserie 2007 in der Kunstwelt nicht damals schon mehr Wellen geschlagen hat, denn die Themen die diese Fotos berühren, also 2. Weltkrieg, Nationalsozialismus und Genderfragen wurden auch vor 10 Jahren schon heiß diskutiert. #metoo mag die Aufmerksamkeit auf Genderfragen verstärkt haben. Aber vielleicht liegt die Antwort ja auch ganz wo anders. Vielleicht ist die Gesellschaft doch etwas weiter gekommen im Umgang mit Wiedersprüchlichem. Vor 10 Jahren wäre es vielleicht noch nicht möglich gewesen, Wehrmachtssoldaten einer breiten Öffentlichkeit von solch einer „weichen“ Seite zu zeigen, ohne dass das als Verharmlosung empfunden worden wäre.

Du sprichst von einer „besonderen Fülle von solchem Material ausgerechnet in deutschen Fotoalben aus dem Zweiten Weltkrieg“ – wie erklärst du dir diesen Umstand? Ich nehme an, dass es dafür mehrere Gründe gab. Sicher wurde das Cross-dressing in der Wehrmacht befördert durch die Tradition von Rollentausch im deutschen Karneval. Das gab es so z. B. im englischsprachlichen Raum nicht. Dann waren deutsche Soldaten im 2. Weltkrieg oft besonders lange und weit von ihrer Heimat entfernt. Am Ende werden sogar die Nationalsozialisten selbst einen gewissen Einfluss gehabt haben, da es zu ihrer Strategie gehört hat, die Soldaten zu ermutigen, ihre Erlebnisse in Fotos und Familienalben festzuhalten.

Hast du jemals im Rahmen deiner Recherchen mit Zeitzeug*innen gesprochen und sie über die Umstände, wie dieses oder jenes Foto entstanden ist, befragt? Nein, ich finde die Fotos meist in den Kreisen der Militaria-Sammler und -Händler. Solche Verkleidungen werden in Egodokumenten von Soldaten immer wieder erwähnt, aber selten weiter erläutert. Ich vermute, weil das eine Erfahrung war, die die meisten Soldaten gemacht haben. Es gibt ein sehr aufschlussreiches Buch, die Autobiografie von Joe Luga „So bin ich“. Luga war ein homosexueller Crossdresser in der Wehrmacht. Rosa von Praunheim hat auch einen Film über ihn gemacht. Beides ist sehr empfehlenswert.

Interview: Roberto Manteufel


(c) Sammlung Martin Dammann

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