Film

Sex ist Macht: Lesbisches Meisterwerk „The Favourite“ startet im Kino

15. Jan. 2019
Emma Stone als Abigail in „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ © 20th Century Fox

England wird im ausgehenden 18. Jahrhundert von Queen Anne (unfassbar gut: Olivia Colman) regiert, die sich statt um den Krieg mit Frankreich lieber um ihre Liebhaberinnen kümmert – und ihre 17 Stallhasen, die bei ihr im Palast wohnen. Sie erinnern Anne an ihre 17 Kinder, von denen kein einziges mehr am Leben ist. Die Regentin wurde vom Schicksal gebeutelt, was sie mit einer Mischung aus Durchtriebenheit und Infantilität zu überspielen versteht. Das Spiel mit Macht und Sex beherrscht sie allemal.

Am Hof hat es sich Herzogin Sarah Churchill (Rachel Weisz) als erste Hofdame, Vertraute und Geliebte von Queen Anne bequem gemacht. Ihre Rolle als „Favoritin" weiß sie geschickt auszunutzen, auch da, wo sich Gelegenheit bietet, in politische Entscheidungen einzugreifen. Sie ist klug genug, dafür zu sorgen, dass die gesundheitlich angeschlagene Regentin bei aller Kritik („Du siehst aus wie ein betrunkener Dachs“) ihr gewogen bleibt. Bei Tisch wie auch im Himmelbett.

Die Dinge ändern sich, als Sarahs jüngere Cousine Abigail (Emma Stone, so herrlich böse wie nie) um Unterkunft bittet. Sie ist nach tiefem gesellschaftlichem Fall ihren Adelstitel los und das soll keinesfalls so bleiben. Sarah nimmt Abigail auf und vermittelt ihr einiges, was hoffähig macht. Beim Entenschießen sagt sie einmal zu ihr: „Ich mach noch einen Killer aus dir." Sarah ahnt nicht, wie recht sie damit hat. Kaum dass Abigail die Königin und Sarah beim Tête-a-Tête belauscht hat, entbrennt der Kampf um Annes Gunst und die damit verbundene Macht. Nur eine kann gewinnen.

Dieser Film gehört dem grandios aufspielenden Trio Colman als Königin sowie Weisz und Stone als Rivalinnen Sarah und Abigail. Sie machen „The Favourite“ zum Erlebnis. Die geschliffenen Dialoge haben Witz und Bosheit, Zweideutigkeit und Perfidität. „The Favourite“ ist zudem ein saftiger Kommentar zu Sex als Machtinstrument unter Frauen. Männer bleiben in diesem Ränkespiel Nebenfiguren, die am langen Arm der Frauen verhungern – da nützt auch die höchste Perücke nichts. Die Ausstattung von fast erschlagender Opulenz ist großartig. Weitwinkel- und Fisheye-Objektive verstärken den überbordenden Eindruck der fast absurd zudekorierten Interieurs, die mit ihren endlos erscheinenden Fluren zugleich Spielplatz wie Käfig sein können. Die Kostüme, von den hinreißenden Hosenanzügen, die Rachel Weisz trägt, bis zu den Roben, die durch Schnürung und Drapierung das Dekolleté betonen, sind eine Klasse für sich.

Erstaunlich, wie bei all dem Geflecht aus „Intrigen und Irrsinn“ es dennoch Empathie mit den Figuren gibt, was für Regisseur Lanthimos und sein bisheriges Werk („Dogtooth", „Lobster") eher ungewöhnlich ist. Ihm ist mit diesem Film ein cineastisches Schmuckstück gelungen. Zu Recht regnete es Preise, gleich zehn bei den British Independent Film Awards. Beim Filmfestival in Venedig war bereits Olivia Colman als beste Darstellerin geehrt und der Film mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet worden.

Frank Hermann

The Favourite – Intrigen und Irrsinn, UK/USA/IRL 2018, Regie: Yorgos Lanthimos, mit Olivia Coleman, Emma Stone, Rachel Weisz, ab 24.01. im Kino

SIEGESSÄULE präsentiert:

Preview bei MonGay,
1.01., 22:00, Kino International

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