Kommentar

Gemotze um CSD-Motto: Zum Mäusemelken

30. Jan. 2019
© Jurassica Parka

Kaum ist das Motto für den Berliner CSD 2019 entschieden, hagelt es Kritik aus der Community. Zu nörgeln ist wohl einfacher als mitzuwirken, vermutet Jurassica Parka

Jedes Jahr ein anderes Motto und der gleiche Streit. Was wäre die Szene ohne seine Meinungsverschiedenheiten? Eigentlich schöner. Viele behaupten, dass solche Diskussionen wichtig und richtig sind. Mag sein. Leider findet das meiste davon in den sozialen Medien statt. Und ganz ehrlich … wer gibt noch was auf einen Diskussionsverlauf auf Facebook?

Mich hat das neulich dazu veranlasst, eine einwöchige Facebook-Pause einzulegen; so ermüdend sind Internetdiskussionen, in denen alle das letzte Wort haben wollen. Es ist zum Mäuse melken. Ich bin mir nicht sicher, ob das Mäuse-Sprichwort eigentlich noch politisch korrekt ist oder als Tierquälerei gedeutet werden kann. Kleine Babymäuse säugen ja an Mäusemutter-Zitzen, wenn ich das als Transvestit machen würde – so wie beim Melken einer Kuh – wäre das Tierquälerei? Auweia. Es ist zum Mandeln melken, so wäre es wohl besser.

Zurück zum CSD. Ich habe mir mit meinem Kommentar zum Motto extra viel Zeit gelassen, weil ich erst mal so viele Reaktionen wie möglich sammeln wollte. Hätte ich mir aber auch sparen können. Eigentlich sind wieder alle am Rumnörgeln – zumindest in meinem Newsfeed und engeren Bekanntenkreis.

Für alle Lesenden, die tatsächlich noch nicht das neue Motto mitbekommen haben – hier ist der Stein des Anstoßes: „Queer sind Berlin – Jemeinsam“. Kritisierende monieren, dass wir dieses Jahr den 50. Jahrestag des Aufstands in und um die Stonewall-Bar feiern, den Ursprung unseres queeren Selbstbewusstseins. Ein Bezug auf Stonewall empfänden demnach viele als wünschenswert.

Verständlich! Mich persönlich erinnert das aber auch ein bisschen an die dunkle Zeit vor ein paar Jahren, in denen der Ex-CSD-Geschäftsführer Robert Kastl den ganzen Laden in Stonewall umbenennen wollte. Hat für mich einen bitteren Beigeschmack, zumindest in Verbindung mit Berlin und der ganzen Chose um den riesigen Streit in der Community in 2014. Zum Glück Vergangenheit.

Andere motzen über die fehlende Internationalität. Der Begriff „Jemeinsam“ sei zu regional. Was sei denn mit den ganzen nicht Deutschsprechenden, die mit glanz- und ratlosen, sinnentleerten Gesichtern vor dem Motto stünden, vom Lokalkolorit sofort in die Google-Suche getrieben? Ich denke, dass genau für Neu-Berliner*innen eine Fahrt mit der BVG oder der Einkauf bei einem Discounter mehr phonetische Probleme bereitet.

Dass es der CSD-Verein niemals allen recht machen wird, ist natürlich obsolet. Somit sind wir wieder bei der gemolkenen Maus, vielleicht hieße sie sogar Sisiphos. Mir persönlich gefällt das Wortspiel von „queer“ ist gleich „wir“ gar nicht, dafür kenne ich zu viele schlimme Friseursalon-Namen. Da habe ich ‘ne Sperre. Andere sagen, dass Heteros nicht wüssten, was queer bedeute. Queer sei also missverständlich.

Dieses Argument lasse ich einfach unkommentiert, das würde den Rahmen dieses Kommentars sprengen. Festzuhalten ist: Der CSD Berlin rief diverse Male dazu auf, bei der offenen Abstimmung am 24. Januar im Café Ulrichs aktiv an der Motto-Findung mitzuwirken. Intransparenz sieht anders aus.

Wer also meckert, könnte ja 2020 einfach mitmachen – aber zu nörgeln ist immer einfacher als mit zu wirken. Einfacher Mechanismus. Mir ist der CSD wichtig, das Motto erscheint mir eher zweitrangig. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie das vom letzten Jahr lautete. Aber an das Gemotze erinnere ich mich noch.

Jurassica Parka

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