Kommentar

Denkt die Musikbranche endlich um? Der Fall Gabalier

1. Feb. 2019
Foto: Michaela Dudley

Das Schöne an der Musik von Andreas Gabalier ist, dass man ihr kein Gehör schenken muss. Auf das Gedudel und das Gedankengut, das dahintersteckt, stehe ich einfach nicht. Dass Gabalier es wie kaum ein anderer versteht, volkstümliche Melodien und Stadionrock zu verbinden, kann man allerdings nicht leugnen. Mit dem Album „Herzwerk“ stürmte er 2010 den Gipfel der Schlagercharts.

Seine Äußerungen auf und fernab der Bühne sind dabei unverhohlen homophob, frauenfeindlich und rechtslastig. Das werde ich wohl noch sagen dürfen, oder? Immerhin wird dem Österreicher am zweiten Februar der Karl-Valentin-Orden um den Hals gelegt. Wie kann es im Jahre 2019 irgendwem einfallen, solch einen Provokateur auszuzeichnen?

Na gut, die den Karl-Valentin-Orden verleihende, bayerische Faschingsgesellschaft Narrhalla ist nicht gerade das Nobelpreiskomittee. Und die Entscheidung der Jury sorgt, zum Glück, vielerorts für Entsetzen. Dass Gabalier Gegenwind erntet, stört ihn aber wenig, zumindest solange seine schunkelnden Fans die Kassen klingeln lassen und die ach so aufgeschlossenen (öffentlichen rechtlichen) Sender ihm ohne Bedenken ein Forum gewähren.

„Es ist nicht leicht auf dieser Welt, wenn man als Manderl heute noch auf ein Weiberl steht“, verlautbarte Gabalier, als man ihm 2015 den größten österreichischen Musikpreis verlieh. Das war wohl nicht sein einziger Ausrutscher. Laufend ätzt der selbsternannte „Alpen-Elvis“ gegen die LGBTIQ-Community. So spricht er von einer „genderversuchten Zeit“ und rät Schwulen und Lesben, sich in der Öffentlichkeit zurückzuhalten ... aus „Respekt vor Kindern“.

Natürlich sind nicht alle Volksmusiker über einen Kamm zu scheren. Ich begrüße ausdrücklich, dass Bands der Neuen Volksmusik wie voXXclub große Erfolge feiern. Bandmitglied Christian Schild hat sich übrigens längst als schwul geoutet. Also, es geht doch.

Auch in anderen Musikbereichen, in denen traditionell eher heteronormative Ansichten dominierten, erfolgt langsam ein Wandel. Als ich 2007 an der Uni Hamburg über die sexuelle Rollenverteilung im Tango referierte, waren Queer Tango Festivals noch neu und suspekt. Inzwischen, ob in Berlin oder Buenos Aires, sind sie aus der Milonga-Szene nicht mehr weg zu denken. Es gibt mittlerweile einige Initiativen, auch aus den Musikbranchen selbst, die sich dezidiert gegen Homophobie und Sexismus wenden – etwa Stop Murder Music gegen homofeindliche Texte in Reggae oder Dancehall, an der unter anderem die Organisation J-Flag (Jamaican Forum for Lesbians, All-Sexuals and Gays) beteiligt ist, Eigeninitiativen von Rapper*innen und mehr. So war auch die Einstellung des Echos 2018 nach dem Antisemitismus-Skandal um Kollegah und Farid Bang nicht nur ein Fiasko, sondern auch ein Fortschritt.

„Es ist einfach so, dass man in der heutigen Zeit nichts mehr sagen darf,“ behauptet Gabalier. Ich weiß die Kunst- und Meinungsfreiheit zu schätzen. Sie ist ein hohes Gut, auf das keine Demokratie verzichten kann. Doch wenn die Grenze zur Hetze erreicht wird, wie es bei Gabalier eindeutig der Fall ist, hat Empörung nichts mit Zensur zu tun – sondern mit Zivilcourage.

Die Berlinerin Michaela Dudley, Jur. Dr. (U.S.). ist eine trans Frau, Autorin und Kabarettistin mit afroamerikanischen Wurzeln

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