Asyl

Es geht ums Überleben: Die Maghreb-Staaten sind nicht sicher!

12. Feb. 2019
© Bundesrat

„Todesdrohungen, repressives Recht, fundamentalistische Hetze“ – dies zählt Adela als Gründe auf, warum sie ihr Heimatland verlassen hat. Die 34-Jährige trans Frau wuchs in der algerischen Hauptstadt Algier auf. Nach ihrer Flucht und einer langen Zeit des Bangens hat sie jetzt in Deutschland Asyl bekommen. Doch sie macht sich Sorgen um das Wohlergehen von LGBTIQ in Algerien.

Dort steht laut § 333 bzw. § 338 des Strafgesetzbuches ein Freiheitsentzug von bis zu drei Jahren auf homosexuelle Handlungen. Trotzdem befasst sich der deutsche Bundesrat am 15. Februar mit einem Gesetz, demzufolge die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien sowie auch Georgien fortan als „sichere Herkunftsländer“ eingestuft werden sollen. (Update 15.02. Die Abstimmung über den Gesetzesentwurf wurde auf einen unbestimmten Zeitpunkt vertagt!) Der Bundestag stimmte diesem Gesetzesentwurf Mitte Januar zu. Wie nun der Bundesrat entscheiden wird, hängt vor allem davon ab, ob die Grünen bei ihrer bis dato ablehnenden Haltung bleiben werden. Parteien wie Union und FDP versuchten bereits Druck aufzubauen: FDP-Chef Christian Lindner warf den Grünen „eine von Ideologie getriebene Politik" vor und kündigte an, dass im Falle eines Scheiterns vor dem Bundesrat seine Partei den Vermittlungsausschuss einschalten werde.

„Eine Zustimmung zu dem Gesetz würde eine verheerende Wirkung haben“, warnt dagegen Adela. Sie weiß, wovon sie spricht: Mit 18 erlangte sie die Hochschulreife in Algerien, sie wollte Romanistik und Marketing zu studieren. Doch dazu kam es nicht. Da sie sich schon damals in der Öffentlichkeit als Frau kleidete, wurde ihr vorgeworfen, eine „falsche Identität“ angenommen zu haben und sie wurde festgenommen. Nach einer demütigenden Gerichtsverhandlung verurteilte man sie zu anderthalb Jahren Gefängnis ohne Bewährung. Einige Jahre später, diesmal als Aktivistin der Aids-Hilfe, landete sie wegen angeblichen „Sittenvergehens“ für sechs Monate wieder in Haft.

„In Algerien werden LGBTIQ-Personen tagtäglich schickaniert“, sagt Adela. Sexuelle Autonomie sei mit dem islamischen Glauben nicht vereinbar – dies, so berichtet sie, behaupten selbsternannte „Sittenwächter“ in dem nordafrikanischen Staat. Auch cis Frauen, die bei Polizeikontrollen mit Kondomen erwischt werden, könnten unter „Prostitutionsverdacht“ mit auf die Wache genommen und auf entwürdigende Weise untersucht werden. Queers müssten oft noch weitaus mehr erleiden. „Wenn wir aus der Bevölkerung gewalttätig angegriffen werden und die Polizei einschalten möchten, riskieren wir selbst eine Anzeige, während gegen die Tatverdächtigen selten ermittelt wird!“

Adela wurde von einem transphoben Angreifer in den Rücken gestochen und verbrachte drei Wochen auf der Intensivstation. Das war für sie der Auslöser, um Algerien zu verlassen. 2015 reiste sie nach Deutschland – als eingeladene Teilnehmerin einer LGBTIQ-Konferenz, die vom Goethe-Institut mit finanziert wurde. Wenig später beantragte sie Asyl und wurde vorläufig in der Unterkunft für queere Geflüchtete in Berlin-Treptow untergebracht. Sie selbst ist vorerst in Sicherheit, aber das Schicksal anderer Queers mit maghrebinischer Herkunft lässt sie nicht los.

Organisationen wie Human Rights Watch oder Reporter ohne Grenzen haben die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen in den vier im Gesetzesentwurf genannten Ländern dokumentiert. Laut der Einschätzung des Deutschen Instituts für Menschenrechte und Amnesty International erfülle nach Verfassungs- und Europarecht keines davon die Voraussetzungen, um als „sicherer Herkunftsstaat“ eingestuft zu werden.

Sie wolle den Politker*innen in Deutschland klar machen, dass Länder, in den eine gewalttätige, staatlich verordnete LGBTIQ-Feindlichkeit herrscht, keineswegs sicher sind, sagt Adela. Es gehe nicht um Lebensqualität, sondern ums Überleben.

Michaela Dudley

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