Berliner Projekt

Mama, was ist queer? Wie erklärt man Kindern LGBTI-Themen

20. Feb. 2019
aus der Ausstellung „Welcome to DiversCity – Queer in Schöneberg“ © Jugend Museum

Wie erklärt man Kindern Begriffe wie „LGBTI“ oder erläutert ihnen, was Diskrimierung bedeutet? Und wer leistet diese Aufklärung, wenn Bildungseinrichtungen wie Schulen es nicht tun? Bereits seit fünf Jahren gibt es das Modellprojekt „All Included“ zum Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, in dessen Rahmen ein Austausch zwischen sechs Schöneberger Schulen und dem Pädagog*innen-Team des Jugend Museums stattfindet.

In der Anfangsphase von „All Included“ besuchte das Projektteam mit einem umgebauten Wohnwagen Grund- und weiterführende Schulen und veranstaltete dort Workshops zum Thema LGBTI in den Klassen. Das, was die Teilnehmenden dabei lernten, konnten sie anschließend auf dem Schulhof mithilfe der Materialien aus dem Wohnwagen an ihre Mitschüler*innen weitergeben.

„Unser Konzept beruht vor allem auf Interaktion mit den Kindern,“ erzählt Yasmina Bellounar, Islamwissenschaftlerin und Mitglied des Projektteams. „Abstrakte Begriffe lassen sich besser anhand von Objekten erklären, die die Kinder anfassen können. Wir gaben den Kindern zum Beispiel eine Kiste mit verschiedenen Brautpaar-Figuren, darunter auch gleichgeschlechtliche. Wenn Reaktionen wie ,Ihh, das ist komisch' kamen, fragten wir erst einmal ,Warum ist das denn komisch?'. Darauf lässt sich dann eine rege Diskussion aufbauen.“

Mithilfe von Rollenspielen und Fragerunden versuchten die PädagogInnen heteronormative Denkmuster und Homo- und Transfeindlichkeit, mit der die Mehrheit der Kinder aufgewachsen ist, aufzulösen. Häufig wurde gefragt, was Wörter wie queer überhaupt bedeuten. Wenn das Gespräch auf trans* und inter* Menschen kam, wollten die Kinder wissen, ob diese operiert seien und generell mehr über deren Genitalien erfahren. „Daran ist erkennbar, wie stark in unserer Gesellschaft bestimmte Genitalien mit Geschlechterrollen verknüpft sind – wir zeigen aber, dass das eben nicht auf jeden Menschen zutrifft und dass es auch hierbei Vielfalt gibt“, sagt Yasmina Bellounar.

In der zweiten Phase des Projekts kamen die Klassen in das Jugend Museum Schöneberg, um hier innerhalb einer Lernwerkstatt spielerisch mehr über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu erfahren. Dabei konnten Fragen geklärt werden, die den zuständigen Lehrer*innen in der Nachbereitung des Wohnwagen-Projekts aufgefallen waren. Konflikte mit der Elternschaft gab es keine: „Die meisten Eltern haben sich nicht eingemischt. Einmal luden wir eine Mutter ein, sich die Räume des Museum anzusehen, da sie ihr Kind ursprünglich nicht am Workshop teilnehmen lassen wollte – danach durfte das Kind doch dabei sein. Die Mutter eines anderen Kindes bedankte sich bei uns dafür, eine Anlaufstelle gefunden zu haben, weil das Thema Geschlechteridentität momentan ein großes Thema in ihrer Familie sei.“

Die Resonanz auf das Projekt ist so positiv, dass auch Schulen außerhalb Berlins Anfragen an das Jugend Museum stellen. „Es ist die Mischung aus vermitteltem Fachwissen, Bildung, und kulturellem Zugang, die uns deutschlandweit einen Alleinstellwert gibt – und das in einem Rahmen, den Kinder mit ihren eigenen sechs Sinnen erfahren und verstehen können,“ erklärt Ellen Roters, Projektleiterin von „All Included“.

Sie ist auch Kuratorin der interaktiven Museumsausstellung „Welcome to DiversCity – Queer in Schöneberg", die Einblicke in die Arbeit des Modellprojekts gibt, an der über 3.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene beteiligt waren. Bis zum 18. August wird sie in den Räumen des Jugend Museums zu sehen sein, danach will das Team eine Wanderausstellung entwickeln, um auch Schulklassen in anderen Teilen Deutschlands den Zugang zum Thema queerer Lebensformen zu ermöglichen.

Elliot Zehms


„Welcome to DiversCity – Queer in Schöneberg“,

Mo–Do 14–18 Uhr, Fr 9–14 Uhr, Sa und So 14–18 Uhr
Jugend Museum

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