Nach monatelangem Leerstand:

Krisenwohnung für queere Opfer von Zwangsverheiratung kann endlich genutzt werden

25. März 2019
© AWO Bundesverband

Es klingt unglaublich, ist aber wahr: Seit fast einem Jahr sorgt der Berliner Senat dafür, dass eine Wohnung leer steht, die vielen Menschen helfen könnte. Und genau dieser Senat ist jetzt dafür verantwortlich, dass das nicht länger so bleibt.

Es geht um eine Krisenwohnung für queere Menschen, die von Zwangsheirat bedroht sind oder schon zwangsverheiratet wurden und darum Gewalt im Namen der Ehre oder häusliche Gewalt erfahren haben. „Diese Menschen brauchen Schutz, oft vor ihrer eigenen Familie“, erzählt Aileen Kakavand vom Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD), die einige dieser Menschen psychologisch betreut. „Sie wurden verprügelt oder mit Messern bedroht – und das sind nur die Situationen, die ich dieses Jahr erlebt habe.“ Auch Morddrohungen gab es schon.

Deshalb hat die rot-rot-grüne Berliner Regierung die Einrichtung von Krisenwohnungen für von Zwangsverheiratung betroffene queere Menschen in den Koalitionsvertrag geschrieben. Passiert ist danach aber lange nichts – dabei war schon längst eine Wohnung vorhanden. Denn durch einen glücklichen Zufall fand die Arbeiterwohlfahrt Spree-Wuhle (AWO) im Mai vergangenen Jahres eine Fünf-Zimmer-Wohnung und mietete sie prompt an. Ihr stellvertretender Kreisvorsitzender Christian Meyerdierks erzählt: „Unsere Hoffnung war, dass wir möglichst schnell mit dem Projekt starten können.“

Aber im Senat war erstmal lange unklar, wer überhaupt für die Wohnung zuständig ist. Als das schließlich geklärt wurde – es ist die Senatsverwaltung für Justiz und Antidiskriminierung – fällt auf: Für die Krisenwohnung ist im Haushalt gar kein Geld eingeplant. Deshalb empfiehlt die Senatskanzlei, Gelder bei der Berliner Lotto-Stiftung zu beantragen.

Die AWO reicht daraufhin gemeinsam mit dem LSVD einen Antrag für 600.000 Euro ein. Damit könnten die Wohnung und Sozialarbeiter fast vier Jahre finanziert werden. Aber der Antrag wird Ende November abgelehnt. Erst, als das alles im Dezember letzten Jahres öffentlich wird, kommt Bewegung in die Sache: „Wir können aus unserem bestehenden Haushalt für das kommende Jahr etwa 100.000 Euro zusammenkratzen, damit wir dieses Projekt dann ermöglichen können“, verkündete Sebastian Brux von der Senatsjustizverwaltung damals.

Im Januar startet dafür ein Interessenbekundungsverfahren. Bei dem können sich verschiedene Projektträger auf das Geld bewerben, das beste Konzept soll den Zuschlag bekommen. Jetzt steht fest: Die AWO hat das Verfahren gewonnen. Damit kann die monatelang leerstehende Wohnung endlich genutzt werden. „Die lange Vorbereitungszeit hat viel Kraft und auch Nerven gekostet, doch die Mühen haben sich gelohnt und die richtige Arbeit kann jetzt endlich beginnen“, freut sich Christian Meyerdierks von der AWO.

Wann die ersten Bewohner*innen in die Krisenwohnung einziehen können, ist noch nicht genau klar: „Wir wollen so schnell wie möglich an den Start gehen, aber jeden Schritt überlegt angehen, weil es dabei um die Sicherheit von Menschen geht“, so Meyerdierks. Neben einem lachenden gibt es aber auch ein weinendes Auge: Denn die seit Mai leerstehende Wohnung hat die AWO jeden Monat 2.000 Euro Miete gekostet. „Wir hätten damit viele andere gute Sachen machen können“, meint Meyerdierks. Trotzdem blickt er positiv in die Zukunft: „Wir freuen uns, dass für diesen kleinen, aber sehr gefährdeten Personenkreis ein so existentielles Angebot geschaffen wird. In dieser Art ist es bundesweit erstmalig und wird hoffentlich nicht das einzige bleiben.“

Klaas-Wilhelm Brandenburg

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