Queere Theaterkünstlerin

Der Fall Paula Knüpling: „Ich wurde entmenschlicht und zu einem Spielball im Internet“

21. Mai 2019
Paula Knüpling (re.) mit ihrer Frau und Ko-Regisseurin Marina Prados © Lilli Emilia

Wegen angeblichen Grafitti-Sprühens wurde die queere Schauspielerin Paula Knüpling Anfang des Jahres verhaftet. Wir sprachen mit ihr über den Vorfall und über ihr neues Stück, in dem sie das Erlebte verarbeitet

Im Februar wurde die queere Berliner Schauspielerin und Regisseurin Paula Knüpling in Potsdam verhaftet. Der Vorwurf: Sie habe ein Grafitti an eine Wand bei der Garnisonkirche angebracht. Seitdem werden ihr „Hausfriedensbruch“ und „Zerstörung Öffentlichen Eigentums“ vorgeworfen. Sie selbst sagt jedoch, dass sie unschuldig sei. Auch entstanden sofort im Netz Gerüchte um Paulas vermeintliche Gesinnung, da das Graffiti eine politische Bedeutung zu haben schien.

Diese absurden Ereignisse hat die 24-Jährige jetzt in einem Theaterstück verarbeitet.

Wir unterhielten uns mit Paula über die Härte aktueller Debattenkultur und die Notwendigkeit, die eigene Geschichte selbst zu erzählen

Paula, Du wurdest das erste Mal in Deinem Leben von der Polizei mitgenommen. Was war da los? Es war am 27. Februar, relativ spät, als ich in der Nähe der Potsdamer Garnisonkirche auf der Straße verhaftet worden bin und mit auf die Polizeiwache kommen musste. Jemand hatte ein Graffiti auf die Garnisonkirche gemalt. Ich war zu der Zeit die einzige Person in der Gegend, und die Täterbeschreibung passte auf mich, denn ich hatte schwarze Klamotten an. Jetzt versuche ich mit meiner Anwältin, die Vorwürfe „Hausfriedensbruch“ und „Zerstörung öffentlichen Eigentums“ abzuwenden, weil das Graffiti nicht von mir stammt.

Auf dem Street Art Bild ist eine Frau mit Schürze und Putzlappen zu sehen, die aus dem goldenen Sternenkreis der Europaflagge einzelne Sterne wegschrubbt. Darüber steht „Single lives as single wants“. Wirst Du daraus schlau? Ich weiß auch nicht genau. Vielleicht hat es etwas mit dem Brexit zu tun: Jemand verlässt die Union und lebt jetzt, wie er will? In unserem Theaterstück versuchen wir zu ergründen, was das bedeuten könnte, was es mit dem gegenwärtigen politischen Klima zu tun hat, und in welcher Verbindung das Bild mit diesem speziellen Ort steht. Der Wiederaufbau der ehemals vom Preußenkönig veranlassten Garnisonkirche ist sehr politisiert. Und bei dem Graffiti denkt man sofort an Europakritik – oder ans Gegenteil.

Im Anschluss an den polizeilichen Verdacht entstand im Internet eine Diskussion um deine Person und deine angebliche Tat. Verschiedene Gruppen haben sich darauf gestürzt. Obwohl das Graffiti noch nicht einmal meins ist, wurde ich sofort in Boxen gezwängt, über die ich keine Macht hatte. Das hat mich überfordert, und deswegen fiel es mir in den letzten Monaten auch schwer, darüber zu sprechen. Es ist eine krasse Erfahrung, wenn Leute über einen reden, ohne dass man selbst eine Stimme hat. Es haben auch welche versucht, in meinem Namen Statements abzugeben. Ich wurde irgendwie entmenschlicht und zu einem Diskurs-Spielball im Internet. Mit dem Stück will ich jetzt meine eigene Stimme finden. Ich habe mit einem Team von Freunden daran gearbeitet, mit Moritz Sauer, Nuria Frías und meiner Frau Marina Prados.

Ihr seid ein queeres Team? Wir sind ein Theaterkollektiv, das auch in der queeren Szene verankert ist und generell versucht, Minderheiten und verschiedensten Gruppen eine Stimme zu geben. Wir wollen dabei ohne Hierarchien vorgehen und nach Möglichkeit Safe Spaces schaffen.

Euer neues Stück heißt wie das Graffiti „Single lives as single wants“ – und nennt sich politisches Dokumentartheater. Worum geht es euch dabei? Wir wollen diesen kleinen Fall als Anstoß nehmen, um darüber ins Gespräch zu kommen, wie schnell Menschen heutzutage in ideologische Boxen gesteckt werden. Wie kann man damit umgehen, wenn ein Thema online sofort auf extreme Art verhandelt wird? Wir wollen Fragen zur aktuellen politischen Situation aufwerfen. Und zwar auf eine Weise, die dem Publikum Lust macht, darüber zu sprechen. Schön wäre, wenn die Leute sich nicht nur eine Stunde lang im Theater bespaßen lassen, sondern sich persönlich angesprochen fühlen. Und vielleicht selbst aktiv werden.

Interview: Kittyhawk

cmd+c company: „Single lives as single wants – Der Fall Paula Knüpling“, 30.05., 31.05. und 01.06, Schaubude Berlin, jeweils 20 Uhr 

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