SIEGESSÄULE präsentiert

Party mit Vision: „Whole“-Festival 2019

12. Juni 2019
DJ-Stage auf dem Wasser beim „Whole“- Festival 2018 © Eric/ Chris Phillips

Vom 14. bis 17. Juni steigt die bereits dritte Ausgabe von „Whole“. Veranstaltungsort ist, wie schon letztes Jahr, Ferropolis, das Gelände des berühmten „Melt“-Festivals nahe Gräfenhainichen am Gremminer See.

SIEGESSÄULE sprach mit Raquel Fedato, Chris Phillips, Giovanni Turco, Jacob Meehan, Danilo Rosato und Giacomo Gravelloni vom Orga-Team

Das Whole-Festival gibt es jetzt schon seit 2017. Wie seid ihr damals auf die Idee gekommen, das auf die Beine zu stellen? Raquel: Chris und ich haben das Festival vor zwei Jahren gelauncht, weil die Musikindustrie immer noch von weißen, heterosexuellen Männern dominiert ist. Wir waren der Meinung, wenn wir als queere Community unsere Kräfte vereinen, können wir eine Alternative erschaffen: ein queeres, diverses Undergroundfestival für elektronische Musik, auf dem man für ein Wochenende abseits der Stadt campen kann. Bislang stehen wir mit diesem Konzept in Europa alleine da.

Warum gibt es denn so wenige explizit queere Musikfestivals? Chris: Viele LGBTI-Personen haben die großen Festivals nicht als queerfreundlich erlebt, sodass sich das Bild verfestigt hat, dass „das einfach nichts für uns ist“. Daran wird sich mit „Whole“ nun hoffentlich bald etwas ändern. R: So ein Festival zu verwirklichen ist außerdem sehr aufwendig.

Ja – es klingt nach jeder Menge Arbeit, die ihr alle in das Festival steckt. Was motiviert euch? C: Die queere Szene ist ziemlich gespalten. Wir möchten mit „Whole“ dazu anregen, unsere Differenzen abzulegen und einander zu feiern. Danilo: Vor allem wollen wir auch die Community international stärken. Unser Traum ist, dass junge Queers aus aller Welt von unserem Ansatz inspiriert sind und ähnliche Festivals in anderen Städten und Ländern starten.

Geht es für euch demnach nicht nur um Party, sondern ebenso um Politik? Giovanni: Genau. Der Rechtsruck in der ganzen westlichen Welt hat beängstigende Züge angenommen. Deswegen nutzen wir diese Chance, das heißt den Raum, den wir mit dem Festival schaffen, um auch über unsere Zukunft und Rechte zu sprechen. Es wird dieses Jahr mehrere Panels geben, zu denen alle Festivalbesucher*innen herzlich eingeladen sind: In einem wird es zum Beispiel um Politik und Zensur, in einem anderen um Safer Spaces gehen.

Ihr habt den Anspruch, ein diverses Festival zu organisieren – das heißt, ihr wollt für alle einen Raum bieten und möglichst niemanden ausschließen. Wie erreicht ihr das? R: Durch unsere Herangehensweise. Anders als in der Festivalbranche üblich, buchen wir die Acts nicht alle selbst, sondern kontaktieren verschiedene, internationale Partykollektive, die selbst Künstler*innen auswählen. Allein dadurch wird das Line-up vielfältiger. Letztes Jahr lag der Anteil der weiblichen Headliner bei 80 Prozent, dieses Jahr wird es ähnlich sein.

„Whole“ trägt ja den Untertitel „United Queer Festival“. Das klingt erst mal gut – aber kann es bei einer so großen, gemischten Veranstaltung nicht auch unter Queers zu Spannungen kommen? Jacob: Uns ist bewusst, dass Probleme entstehen können. Wir werden daher stärker auf die Bedürfnisse unterschiedlicher queerer Identitäten achten. Dieses Jahr wird das Kollektiv Trhans Berlin dabei sein, das einen Safer Space explizit für trans* Personen kreieren wird. Außerdem hat unser Awareness-Team Verstärkung bekommen und es wird einen Bereich auf dem Festivalgelände nur für FLTI*-Personen geben.

Was erwartet uns sonst noch dieses Jahr? J: Als Headliner sind unter anderem The Black Madonna, Dr. Rubinstein, Jennifer Cardini, Volvox und Mister Wallace eingeladen. Es sind 27 Berliner Partykollektive vertreten, darunter „Buttons“, „Pornceptual“, „Gegen“, „CockTail d'Amore“ und „Curated by Girls“. Es wird Installationen und Workshops geben, zum Beispiel vom feministischen Kollektiv Vulvae zum Thema Naked Yoga. Zudem freuen wir uns besonders auf House of Living Colours: ein Kollektiv, das hauptsächlich aus weiblichen und nicht binären Drag-Performer*innen of Colour besteht.

Wenn ihr zurückblickt: Wie hat sich das Festival in den letzten drei Jahren verändert? D: Am Anfang wollten wir die besten queeren Acts und Partys Berlins in einem Line-up vereinen. Mittlerweile hat sich unser Blick geweitet: Wir sind internationaler geworden und haben Kollektive und Künstler*innen aus New York, London, Amsterdam oder Barcelona mit ins Boot geholt. R: Wir haben anfangs unterschätzt, was man bei der Planung alles beachten muss – allein die Bürokratie. Da wir keine Sponsoren oder Investoren haben, müssen wir alles von Grund auf selbst stemmen. Aber wir sind mit unseren Aufgaben gewachsen. In den letzten Jahren mussten wir externes Sicherheitspersonal einstellen, jetzt haben wir auch für diese Positionen Menschen aus der Community gefunden. Ich bin der Meinung, zu einem queeren Festival gehört, dass Queers in wirklich allen Bereichen involviert werden. J: Letztes Jahr gab es Lautstärkebeschwerden: Weil kalte Luft und warmes Wasser Schall so gut übertragen, haben sich die Nachbar*innen am anderen Seeufer gestört gefühlt. Aber dieses Jahr sind wir auf alles vorbereitet und haben die Mainstage vom See weg verlagert.

Und wie soll’s in Zukunft weitergehen? Wollt ihr noch größer werden – oder was habt ihr weiter vor? Giacomo: Wir haben vor diesem Projekt noch nie ein Festival organisiert und uns alles Wissen selbst angeeignet. Wir wollen noch viel mehr lernen und sind offen für Anfragen und Kooperationen. J: Außerdem möchten wir uns international noch besser vernetzen, damit zukünftig Kollektive und Künstler*innen aus möglichst allen Kontinenten vertreten sein werden.

Interview: Paula Balov

SIEGESSÄULE präsentiert:

Whole – United Queer Festival, 14.–17.06., Ferropolis

wholefestival.com

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