Berlin

Queerer Flashmob vor Kreuzberger Restaurant

20. Juni 2019
Adalbertstraße © Kaey

Ein Gast eines Kreuzberger Restaurants hat einen Post veröffentlicht, laut dem er in dem Lokal homophob attackiert worden sei. Daraufhin wurde gestern Abend zu einem „queeren Flashmob“ aufgerufen. Wir fassen die Ereignisse zusammen

Zu einem „queeren Flashmob“ vor einem Lokal in Kreuzberg ist gestern auf Facebook aufgerufen worden. Hintergrund: ein Bericht eines Gastes, in dem er schwere Vorwürfe gegen das Personal des Lokals erhob.

Am vergangenen Samstag hatte der 37-Jährige einen Facebook-Post veröffentlicht, laut dem ihn am 15. Juni ein Kellner im Kreuzberger Restaurant „Maroush“ homophob beleidigt und mehrmals geschlagen habe. Zur Untermauerung der Anschuldigungen veröffentlichte der 37-Jährige ebenfalls einige Fotos, auf denen Blutergüsse sowie Kratzer an seinem Arm und an seiner Brust zu erkennen sind.

Aus Sicht des Gastes habe es sich so zugetragen: Gemeinsam mit einem Freund habe der Betroffene das Lokal betreten und etwas zum Essen bestellt. Auf Arabisch habe er nach einem Sandwich ausdrücklich ohne Gewürzgurken gefragt. Das Brot, das er dann bekam, sei dann aber nur mit Gurken belegt gewesen. Indem der Gast darauf hinwies und um einen Ersatz bat, sei der Kellner aggressiv geworden. „Der Kellner warf das Sandwich in die Luft und schmiss mich raus“, erklärt der Gast in seiner Beschreibung im Netz. Als er an den Kellner appelliert habe, sich zu mäßigen, habe der ihn „als 'effeminiert' und 'slutty'“ beschimpft. „Er meinte, er habe mich früher mit einem anderen Mann da gesehen und gab zu, mich schon damals nicht bedienen zu wollen.“ Im Anschluss sei der Gast auf die Straße geflüchtet, wo ihn der Kellner gegen eine Wand geschubst und mehrfach geschlagen habe. Der Freund des Gastes und zwei Passanten seien dazwischen gegangen, bis die Polizei eintraf. Der 37-Jährige erstattete Anzeige gegen den Kellner wegen Körperverletzung.

In einer Gegendarstellung des Besitzers des „Maroush“ auf Facebook, die kurz nach Veröffentlichung der Anschuldigung gepostet wurde, schilderte dieser die Ereignisse anders: Demnach habe es sich nicht um einen homophoben Angriff gehandelt. Der Gast habe aufgrund eines Versehens ein falsches Sandwich erhalten und, nachdem sich der Mitarbeiter dafür entschuldigt habe, habe der Gast die „tote Mutter des Mitarbeiters“ beschimpft. Ein weiterer Post auf der Facebook-Wall des Restaurants stellte den Vorwurf in den Raum, dass es sich bei dem Vorfall um eine „gezielte und geplante Attacke“ gegen das Lokal gehandelt habe. Das „Maroush“ erstatte gegen den Kunden Anzeige wegen Beleidigung.

Die Berichte über den Vorfall sorgten für Aufregung in Sozialen Netzwerken. Viele User*innen reagierten empört auf den Post, weil sich das Restaurant für den Vorfall nicht entschuldigt habe und der Mitarbeiter nicht entlassen wurde. In einzelnen Posts kam es auch zu rassistischen Äußerungen gebenüber dem „Maroush“.

Ein Facebook-User veröffentlichte nun gestern Abend den Aufruf zu einem „queeren Flashmob“ vor dem „Maroush“, um das vermutliche Opfer zu unterstützen. Obwohl der Aufruf kurz danach nicht mehr auf Facebook zu finden war, erschienen trotzdem gestern Abend einige Dutzend Leute versammelt vor dem Lokal. Mehrere Polizeiautos waren ebenfalls dort.

Auch die TfD (Travestie für Deutschland) plante vor dem „Maroush“ ursprünglich einen „solidarischen Flashmob“ am 22. Juni. Daraufhin habe man bei dem betroffenen Gast, der den Vorfall gepostet hatte, angefragt, ob dies überhaupt erwünscht sei. „Wir haben aber bisher keine Nachricht von dem Opfer erhalten, was angesichts der Umstände auch völlig nachvollziehbar ist. Der Flashmob wird somit bis auf Weiteres nicht stattfinden“, erklärt TfD-Sprecher Alexander Winter gegenüber SIEGESSÄULE.

Eine Aktion solle außerdem mit den „dort ansässigen QPoC und in Absprache mit vor Ort lebenden Queers“ passieren. „Der Fall vom 15. 06. zeigt deutlich, dass wir uns aktiver und lauter, zentrierter gegen strukturelle Homo- und Trans*phobie zur Wehr setzen müssen. Da mag ein Flashmob nicht gerade das Allheilmittel sein, aber er erzeugt wenigstens Sichtbarkeit – und im Idealfall schaffen wir zusätzlich einen Dialog mit allen Beteiligten.“ Auch habe man nicht vorgehabt das Restaurant einfach zu stürmen, „sondern unser Plan war vielmehr, uns gesittet – mit einer Tasse Tee – mit den Mitarbeitern zu unterhalten.“

Die Rechtslage ist indes noch unklar: Die Berliner Polizei hat beide Anzeigen, die des Gastes und die des Restaurants, aufgenommen und prüft derzeit die Hintergründe des Vorfalls. Laut des Restaurantbesitzers gebe es auch eine Videoaufzeichnung der Szenen innerhalb des Lokals, über die die Polizei informiert worden sei.

Michaela Dudley

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