Kino

Highlights des 14. Pornfilmfestivals Berlin

9. Okt. 2019
Eröffnungsfilm „Unravelled Intimacies“ © Lustcinema

Lust, Liebe und Leidenschaft, aber auch Feminismus, Fetisch und Vernetzung: Vom 22. bis zum 27. Oktober wird das Pornfilmfestival wieder zum Anziehungspunkt für Gäste aus aller Welt

Sechs Tage und vor allem Nächte wird Berlins ältestes Kino, das Kreuzberger Moviemento, zum Zentrum des 14. Pornfilmfestivals. Das Publikum ist erfahrungsgemäß so bunt gemischt wie die Filme – hetero, homo, bi, trans*, queer... Rund um das Festival gibt es außerdem spannende Podiumsdiskussionen, Performances und Partys.

Seit Gründung kann sich das Event jährlich über Publikumszuwachs freuen. Kein Wunder bei dem prallen Filmpaket, das auch diesmal geschnürt wird. Von Coming-out bis BDSM, von Leder bis Blümchensex ist alles dabei – weit über 100 Filme. Das alternative und unabhängige Festival legt traditionell den Fokus auf weiblich-feministische sowie queere Sichtweisen. Das Kuratorium bilden Paulita Pappel, SIEGESSÄULE-Verlegerin Manuela Kay, Jochen Werner und Jürgen Brüning, der das Pornfilmfestival 2006 gründete.

Der Eröffnungsfilm „Unravelled Intimacies“ basiert auf den 2014 erschienenen Memoiren „Daddy: A Memoir“ von Regisseurin Madison Young – einer sexpositiven Botschafterin für Feminismus, Kink und Pornografie.

Queer zur Sache geht es in „(W/Hole)“. Das Spektrum reicht dabei von spielerischen, getanzten Body Encounters bis hin zu bluttriefenden Bondage-Erfahrungen.

Auch Festival-Dauergast, Regisseurin Goodyn Green, ist mit der neuen Fortsetzung ihrer Trilogie „Third Shutter“ am Start. In sechs Szenen, ausschließlich weiblich* besetzt, zeigt sie so gut wie alles, was Frauen* miteinander im Bett, in der Badewanne und sonst wo machen können.

Der Abschlussfilm „Die traurigen Mädchen aus den Bergen“ von Candy Flip und Theo Meow ist die Parodie einer Vice-Dokumentation über vier Mädchen, die sich vom Patriarchat zurückziehen und ihr Leben mit selbst gedrehten Pornos finanzieren. Eine Farce im besten Sinne, die ein wenig an Bruce LaBruce erinnert, aber sehr viel lustiger ist und nichts und niemanden ernst nimmt. Und das bei einer deutschen Produktion!

Eine Reihe von biografischen Filmen bleibt laut Kurator Werner „ganz stark bei ihren Protagonist*innen“. „Behind the Mask“ aus der Türkei ist das schonungslose Porträt eines alkoholkranken Psychotherapeuten, der dabei ist, sich zwischen seiner Fetischidentität und dem wahren Leben zu verlieren.

„Jonathan Agassi Saved My Life“ folgt dem gleichnamigen schwulen israelischen Pornodarsteller auf seinem Ritt durch Filmstudios und „HustlaBall“ bis hin zum Rückzug aus dem Sexgeschäft.

Ebenso hemmungslos ist „A Rosa Azul de Novalis“, die skurrile Selbstdarstellung eines brasilianischen Körperkünstlers, dessen Schließmuskel eine tragende Rolle spielt.

Ebenfalls aus Brasilien kommt „Greta“, die Geschichte eines älteren, schwulen Krankenpflegers, der einen unter Polizeiaufsicht stehenden Patienten zu sich nach Hause schmuggelt, damit dessen Bett frei wird und seine Nachbarin, eine erkrankte trans Frau, im Hospital unterkommen kann. Sie ist Teil seiner Wahlfamilie, in der es warmherzig um Solidarität und Mitgefühl geht, aber auch um Sex im Alter.

Ein weiteres Highlight ist „Resistència trans“ aus Spanien über trans* Aktivist*innen in Valencia, die ihre persönlichen und gesellschaftspolitischen Ziele gegen alle Widerstände verfolgen. Der bewegende Dokumentarfilm von Claudia Reig Valera liefert Rührung und Empowerment in einem.

Bemerkenswert ist auch die Kategorie der „Classics“, die erst in diesem Jahr ins Leben gerufen wurde. „Wir haben fünf analoge Filme im 35-mm-Format und zwei im 16-mm-Format aus Archiven ausgegraben für das analogste Festival ever“, erzählt Werner. Dabei sind u. a. Filme wie „Good Hot Stuff“ (1975) des bahnbrechenden schwulen Regisseurs Jack Deveau, und „Nitrate Kisses“ (1992) der renommierten und im März verstorbenen lesbischen Experimentalfilmemacherin Barbara Hammer zu sehen. „Ihr erweisen wir mit dieser Wiederaufführung unsere Hochachtung“, fügt Werner hinzu.

Das filmische Phänomen „Taxi zum Klo“ (1980) über das promiske Leben des schwulen Regisseurs und Hauptdarstellers Frank Ripploh findet auch wieder seinen Platz auf der großen Leinwand. Nach fast 40 Jahren ist der Film auch heute noch erfrischend als Zeitdokument der damaligen Ära von Klappen, Saunen und Tuntenbällen.

Außerdem wird „100 Tage, Genosse Soldat“ (1991) gescreent, der fünf junge Soldaten der sowjetischen Armee im Kreislauf von Gewalt und Demütigung zeigt. Ihre Rebellion dagegen besteht in Intimität und Fantasie.

Das breite Angebot des Pornfilmfestivals zieht nicht nur Kinopublikum an, sondern bietet auch eine Plattform, auf der neue Filme entstehen. Dieses Jahr wird folgerichtig mit „Volunteers Wanted“ ein Film gezeigt, der während des letztjährigen Festivals entstanden ist. Produziert vom Label Erika Lust stehen hier Protagonist*innen aus der Hauptstadt mit klaren Vorstellungen von Liebe und Sex im Vordergrund. Im Film sagt eine: „There are other people we love and other people we fuck. And they are not even the same thing.“

Die rauschende Festivalparty steigt dann in der Burg Schnabel und im Monarch werden wie immer Preise für den besten Film jeder Kategorie verliehen. Eines kann man jetzt schon sicher sagen. Er wird genial, dieser Jahrgang.

Frank Hermann

SIEGESSÄULE präsentiert:

14. Pornfilmfestival Berlin, 22.–27.10, Moviemento, Babylon Kreuzberg, aquarium

pornfilmfestivalberlin.de

Festivalparty, 26.10., 23:00, Burg Schnabel

Preisverleihung und Abschlussparty, 27.10., 23:00, Monarch

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