Berlin

Laut sein und Druck machen: „Kein Haus weniger“

20. Jan. 2020 Paula Balov
Bild: Sally B
Das queerfeministische Hausprojekt Liebig34 © Sally B

Mit der Initiative „Kein Haus weniger“ kam es zu einem breiten solidarischen Schulterschluss linker Projekte gegen die Verdrängung alternativer Wohn- und Kulturprojekte in Berlin, darunter das queerfeministische Hausprojekt Liebig 34

Alternative Kultur-, Wohn- und Hausprojekte sind ein Teil von Berlins Identität und Geschichte, doch viele dieser nicht kommerziellen Strukturen müssen aktuell um ihre Existenz bangen. Die jüngste Welle der Verdrängung betrifft u. a. das queerfeministische Hausprojekt Liebig34, die Kreuzberger Kiezkneipe Meuterei, das selbstverwaltete Jugendzentrum Potse sowie das Wohn- und Kulturprojekt Köpi. Die Neuköllner Traditionskneipe Syndikat hat erst im November ihren Räumungstermin bekommen.

Damit muss Schluss sein, finden nicht nur die betroffenen Projekte. Im November verfassten sieben Aktivist*innen mit „Kein Haus weniger“ einen offenen Brief, der zu einem breiten Zusammenschluss der linken Szenen führte. Sie fordern einen Bestandsschutz für alle sozialen und kulturellen Projekte, das Aussetzen von Zwangsräumungen und den Schutz von Kleingewerbe vor Verdrängung. Unterzeichnet haben den Brief schon über 100 Projekte, Initiativen und soziale Vereine. Auch die Berliner Antifa-Gruppen haben sich zusammengetan und mit dem Anliegen solidarisiert.

„Wir dachten anfangs, wenn wir 20 Unterschriften zusammenbekommen, können wir schon zufrieden sein“, erzählt Kai von der Initiative „Kein Haus weniger“. „Wir sind gleich mit 57 Unterschriften gestartet und kriegen jeden Tag neue Anfragen. Etwas Vergleichbares gab es noch nicht in dieser Stadt.“ Mittlerweise haben schon 84 (Haus-)Projekte und 59 Institutionen den Aufruf unterschrieben. Heute Morgen wurde im Berliner Ensemble eine Liste mit über 80 prominenten Unterstützer*innen aus dem Kunst- und Kulturbetrieb präsentiert. Darunter sind z. B. die Autorin und Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, die Band Element of Crime, die Musikerin Nina Hagen oder bekannte Theaterregisseure wie René Pollesch oder Leander Haußmann.

„Wir wollen daran erinnern, dass Hausprojekte nicht nur Wohnhäuser sind“, erklärt Maxi, die ebenfalls bei der Initiative aktiv ist. „In diesen Häusern werden antirassistische oder feministische Diskurse vorangetrieben und Freiräume ohne Konsumzwang geschaffen.“ Gerade queere Menschen, die Diskriminierung erfahren oder prekär leben, finden hier oft einen Schutzraum und eine bezahlbare Wohnmöglichkeit. „Während Berlin sich als queere Hauptstadt inszeniert, wird ein queerfeministisches Hausprojekt rausgeschmissen“, betont der offene Brief bezogen auf die Situation der Liebig34.

Berlin bietet kaum Schutz für Räume, in denen alternative Kultur stattfinden kann. Nicht nur Hausprojekte sind betroffen, sondern auch Clubs, zum Beispiel jüngst der KitKatClub oder Kultureinrichtungen wie das Kino Moviemento. Monti von der Initiative fühlt sich wegen der stadtpolitischen Entwicklung mehr und mehr von Berlin entfremdet. „Es müssen mehr Freiräume werden, nicht weniger“, sagt er.

Für die Hausprojekte gibt es kaum Möglichkeiten, juristisch gegen Verdrängung vorzugehen – die Prozesse können lediglich hinausgezögert werden. Nach Störaktionen bei einem Gerichtstermin zur Liebig34 im November ist für den 30.01. ein neuer Termin im Kriminalgericht in Moabit anberaumt worden. Die Aktivist*innen von „Kein Haus weniger“ sehen nur im politischen Kampf eine Hoffnung – das bedeutet: „Laut sein und Druck machen“.

Paula Balov

keinhausweniger.info

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