Kommentar

Trans-Identität bei Kindern und Jugendlichen

21. Feb. 2020 Nora Eckert

Am Mittwoch wurde bei einer Veranstaltung des Deutschen Ethikrates über den steigenden Transitionswunsch von Kindern und Jugendlichen debattiert. Nora Eckert kommentiert die Diskussion

Der Deutsche Ethikrat hatte diesen Mittwoch zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Trans-Identität bei Kindern und Jugendlichen. Therapeutische Kontroversen – Ethische Fragen“ in den Leibniz-Saal der Akademie der Wissenschaften geladen. In der Begrüßung hieß es, man wolle das Schubladendenken überwinden. Nicht der schlechteste Vorsatz bei diesem Thema.

Worum genau es ging: Ab wann darf bei Kindern und Jugendlichen hormonell und mit Pubertätsblockern behandelt und weitere geschlechtsangleichende Maßnahmen angewendet werden? Klar, hier geht es auch um ethische Fragen. Und sie stellen sich umso dringlicher, da der Transitionswunsch bei Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren signifikant anstieg. Von „explosionsartig“ ist die Rede. Das heute überall und jederzeit verfügbare Wissen über trans* wurde bereits andernorts als mögliche Ursache ins Spiel gebracht und gemutmaßt, hier folgten Kinder einem Nachahmungstrieb. Damit sollte das Thema mal eben vom Tisch gewischt werden.

Pro und Contra Pubertätsblocker: längst bekannte Argumente

Das Publikumsinteresse war groß und die Veranstaltung schon lange „ausverkauft“. Aber das große Interesse war, wie ich es sehe, auch fast schon der einzige Ertrag dieses Abends. Denn die beiden Ärzte Georg Romer (Uniklinik Münster) und Alexander Korte (Uniklinik München) lieferten bei der Diskussion mit ihren Pro- und Contra-Positionen hinlänglich bekannte Argumente. Ganz ohne Frage, es kann immer nur eine Einzelfallabwägung geben. Aber der gravierende Unterschied ist, Romer plädiert für eine frühe Therapie, wo er sie für richtig hält. Dazu gehört auch der Einsatz von Pubertätsblockern, um unumkehrbare körperliche Veränderungen erst einmal zu verhindern, während der recht medienpräsente Korte sich in Therapiefragen als der bekannte Hardliner zeigt. Er setzt auf Psychotherapie und darauf zu warten, ob der/die Jugendliche es sich vielleicht noch anders überlegt und auf einen Geschlechtswechsel verzichtet. Der Leidensdruck bei jungen trans* Personen scheint Korte nicht sonderlich zu beeindrucken. Er ist sich auch nicht zu schade, eher fragwürdige Statistiken anzuführen, wo es um angebliche gesundheitliche Schäden bei zu frühen Hormontherapien geht. In diesem Fall konnte Romer mit einer gänzlich anderen Einstellung, die Kinder und Jugendliche ernst zu nehmen versucht, beim Publikum deutlich punkten.

Mündigkeit von Kindern

Mit von der Partie war die sehr eloquente Karoline Haufe, Vorstandsvorsitzende bei Trans-Kinder-Netz e.V., und die Rechtsphilosophin Friederike Wapler, die sich über grund- und menschenrechtliche Fragen mit Blick auf die „Mündigkeit“ von Kindern äußerte. Zu Recht wies sie daraufhin, es könne bei der Abwägung von Kindeswohl und Kindeswille nicht darum gehen, irgendein fremdbestimmtes „Wohl“ dem Kind überzustülpen. Sie zitierte den Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention, wonach den Kindern zugesichert werde, sich eine eigene Meinung bilden und sie frei äußern zu können, um sie schließlich in der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Die Praxis lehrt indes, Papier ist geduldig.

Immerhin diskutierten zwei trans*Personen mit und erinnerten zugleich daran, wie viel stärker wir auf dem Podium eigentlich vertreten sein sollten. Till Amelung betonte in seinem Statement, dass eine Transition nicht das „Anderssein“ erledige. „Heutige medizinische Möglichkeiten bieten eine Annäherung“, so Amelung, „die aber im Vergleich mit cis geschlechtlichen Idealen lediglich ein Kompromiss sein können.“

Felizia Weidmann wiederum lieferte das gelungene Beispiel einer frühen Transition. „Seit meinem sechzehnten Lebensjahr lebe ich in der Öffentlichkeit als Frau und bin dankbar und glücklich, dass ich vergleichsweise früh in der Lage war, mein Leben selbstbestimmt zu führen“, bekannte sie und ergänzte offenherzig, wie froh sie sei, als Kind nicht bei einem Alexander Korte gelandet zu sein.

„Felizia Weidmann ergänzte offenherzig, wie froh sie sei, als Kind nicht bei einem Alexander Korte gelandet zu sein.“

Das Beste kam zum Schluss. Nein, ich meine nicht das Kalte Buffet. Das gab es allerdings auch. Es waren vielmehr die Fragen aus dem Publikum. Denn erst jetzt kam wirklich Leben in den altehrwürdigen Leibniz-Saal der Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt. Vor allem kamen jetzt nach mehr als zwei Stunden die richtigen Fragen. So beispielsweise der kritische Einwand, wo in der Diskussion die nicht-binären Menschen bleiben, die sich nicht weniger als trans* verstehen.

Zu ergänzen bliebe, trans* ist noch mehr und anderes als einfach der Wunsch, in der Heteronorm aufgehen zu wollen. Als ob wir nichts lieber tun, als unsere Genitalien dem binären Gott zu opfern, um das hier auch einmal zu betonen.


Ad-hoc-Empfehlung des Deutschen Ethikrates zu Trans-Identität bei Kindern und Jugendlichen

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