Eine Werkschau von Jefta van Dinther im HAU
Im Zentrum von Jefta van Dinthers Arbeit steht die grundlegende Frage nach dem Menschsein – beleuchtet im Verhältnis zu Gesellschaft, Gemeinschaft und Umwelt, zugleich aber auch im Dialog mit nicht-menschlichen Lebensformen. Seine Choreografien und Performances entfalten sich in metaphysischen und andersweltlichen Sphären – und verhandeln Illusion und Wirklichkeit, Sichtbares und Unsichtbares, Synästhesie und Dunkelheit, Arbeit und Körperlichkeit, Sexualität, das Unheimliche, Affekt, Stimme und Bild.

Der Titel der Retrospektive – entlehnt aus Martha Grahams (1894-1991) Worten an die Tänzerin und Choreografin Agnes de Mille (1905–1993) – verdichtet den unstillbaren, ruhelosen Antrieb im Kern von Van Dinthers Arbeit: eine “queere göttliche Unzufriedenheit”, die ihn dazu bringt, in Bewegung zu bleiben, auch ohne die Aussicht auf Auflösung, und eine Praxis trägt, die sich dem endgültigen Abschluss verweigert.

Die Retrospektive am HAU Hebbel am Ufer richtet den Blick auf Van Dinthers kleinere, zugleich aber wegweisende Arbeiten – von den frühen Studioarbeiten wie “Kneeding” (2010) bis zur Uraufführung seines neuesten Stücks “Mercury Rising” (2025). Außerdem werden “Unearth” (2022), das im September 2025 während der Berlin Art Week in der St.-Elisabeth-Kirche gezeigt wird sowie Van Dinthers HAU-Debut “GRIND” (2011) und die seit acht Jahren tourende Arbeit “Dark Field Analysis” (2017) zu sehen sein.

Neben diesen Live-Performances entfaltet sich die Retrospektive am HAU in einer Reihe von Begleitprogrammen, die das Publikum einladen, Jefta van Dinthers Arbeit aus unterschiedlichen Perspektiven zu erleben. “Dear Darkness” ist eine intime Listening Session im HAU1, bei der neun seiner Weggefährt*innen zu einer inszenierten Singprobe zusammenkommen und die Stimme als materielle Kraft innerhalb seiner choreografischen Praxis in den Vordergrund rücken. “The Moving Image” verwandelt das Studio über dem HAU2 in ein Kino und präsentiert ein kuratiertes Programm aus Kunstfilmen, Musikvideos und Performance-Dokumentationen, die die visuelle Sprache und atmosphärischen Texturen von Van Dinthers Werk sichtbar machen.
Der Artist Talk “Source & Resource” öffnet Van Dinthers Fundus an Referenzen – Videos, Texte, Musik, Kunstwerke – als lebendige Begleiter seiner Praxis und gibt Einblick in die Inspirationen und Genealogien, die seine Choreografien prägen.
Die neue Publikation “A Queer Divine Dissatisfaction”, herausgegeben von Gabriel Smeets, vereint Denker*innen, Autor*innen, Künstler*innen und enge Kollaborateur*innen, die Van Dinthers Arbeit aus ästhetischer, philosophischer und soziopolitischer Perspektive reflektieren und den Raum seiner Praxis ins Feld des geschriebenen Wortes erweitern. Darüber hinaus finden in Van Dinthers Studio DIORAMA Workshops statt, die parallel zur Retrospektive laufen und weitere Möglichkeiten eröffnen, seinen Kosmos auch körperlich zu erkunden.
