Film

Charmeoffensive: „Rosie“, ab 8. Mai im Kino

3. Mai 2014

In der neuen Tragikomödie des Berliner Regisseurs Marcel Gisler verzweifelt ein schwuler Schriftsteller an seiner rebellischen Mutter

Was wäre das Kino ohne die widerspenstigen alten Damen: von der seligen Margaret Rutherford als Miss Marple über die teuflische Ruth Gordon, die die arme Mia Farrow in „Rosemaries Baby“ mit ihren höllischen Kräuter-Shakes vergiftet, bis hin zu Judi Dench als Philomena, die sich auf der Suche nach ihrem Sohn gegen ein paar falschzüngige Nonnen zur Wehr setzt. Und auch die Generationen-Komödie „Rosie“ des schwulen Berliner Regisseurs Marcel Gisler („Fögi ist ein Sauhund“, 1998) lebt ganz von dem liebevoll-garstigen Charme einer Heldin, die ihren Lebensabend nicht mit Kompromissen vergeudet. Rosie ist sturr, eigensinnig und vor allem in ihrer Alkoholsucht völlig beratungsresistent. Ein Schlaganfall setzt sie allerdings außer Gefecht. Ihr Sohn Lorenz sieht sich daraufhin gezwungen, seine Wahlheimat Berlin zu verlassen, um sich in dem tristen Schweizer Provinz-Kaff Altstätten seiner pflegebedürftigen Mutter anzunehmen. Dort muss sich der schwule Autor nicht nur mit der aufmüpfigen Rosie arrangieren, sondern sich auch noch der Charmeoffensive seines jungen Verehrers Mario erwehren.

Und Charme ist etwas, dass auch Gislers erster Film seit 15 Jahren in Überfluss besitzt. Das fängt schon bei dem urigen Schweizerdeutsch an, in dem der komplette Film inszeniert ist, und zeigt sich vor allem in den sympathischen und doch ambivalenten Figuren, die uns relativ lebensnah auf der Leinwand entgegentreten. Ob Rosie gegen eine allzu fürsorgliche Betreuung rebelliert oder mit ihrer beginnenden Demenz kämpft – die 74jährige Theaterschauspielerin Sibylle Brunner überzeugt mit einem facettenreichen, sensiblen Schauspiel. Allerdings hätte der Film ihr ruhig ein paar pointiertere Dialoge in den Mund legen können, die dem Prozess des Alterns mit etwas mehr Bissigkeit begegnen. Wie überhaupt der Humor etwas brav geraten ist. Wenn uns mal wieder der klassischste aller Sexunfälle aufgetischt wird und Lorenz beim Ficken mit Mario ein Hexenschuss ereilt, ist das beileibe nicht so witzig, wie es der Film wohl gerne hätte.

Aber „Rosie“ will über weite Strecken auch weniger Komödie als realistisches Familendrama sein. Doch so wahrhaftig und lebensnah die Figuren sind, so konstruiert ist die Geschichte selbst. Da greift Gisler tief in die Trickkiste der Drehbucheinfälle und zaubert als überraschende Wendung ein von Rosie gut gehütetes Familiengeheimnis hervor, um der Erzählung etwas mehr Drive zu verleihen. Auch Fragen nach den Schattenseiten des Alterns und aufgeworfene Beziehungskonflikte werden am Ende etwas zu wohlgefällig befriedet. Dennoch hat die Kritik „Rosie“ weitgehend euphorisch aufgenommen. Nicht zuletzt, weil der Film seine Themen mit Leichtigkeit, viel Herzenswärme und Feingefühl anpackt. Schade nur, dass es ein bisschen an Gift und Galle fehlt.

Andreas Scholz

Siegessäule präsentiert: „Rosie“, 05.05., 22:00, MonGay, Kino International, ab 08.05. im Kino

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