PRIDEWEEK UND CSD 2014

Welcher CSD-Typ bist du?

18. Juni 2014
© Vratko Barcìk

Siegessäule hilft bei der Wahl der richtigen Demo

Berlin ist eine vielfältige Stadt, sagt man. In diesem Jahr treibt es die Community besonders bunt, denn am Samstag, den 21. Juni, stehen uns streitbedingt ganze drei Pride-Demos ins Haus. Wir haben sie alle unter die Lupe genommen und helfen bei der Entscheidung, wer zu welcher Parade gehen sollte.

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Name: Ein CSD in Kreuzberg 2014

Orga: SchwuZ, SO36, Südblock, Möbel Olfe und Leute aus dem linksalternativen Rattenbar-Kollektiv

Motto: „Die Oranienstraße ist keine Einbahnstraße – Solidarität auch nicht!“

Forderungen: Bezahlbarer Wohnraum für alle! Soziale Absicherung und Unterstützung, die keine Floskeln sind! Bleiberechte und Wahlrechte für alle!

Route: Oranienplatz–Heinrichplatz (Start 16:00)

Wagengebühren: keine

Dabei: Neben den Teams der organisierenden Clubs, Partys und Bars mit
Sicherheit keine Parteien und keine Nationalfahnen.

Außenwirkung: Deutschlandweit eher gering, denn die Mainstream-Medien stürzen sich gewohnheitsgemäß lieber auf die Großveranstaltung am Brandenburger Tor oder sonst wo in Tiergarten, denn dort gibt es zum einen mehr nacktes Homofleisch, zum anderen kann man auf der Bühne nachschauen, welche C-Promis mit kollabierten Gesangskarrieren im kommenden Jahr potenzielle Dschungelcamp-Insassen sein könnten. Außerdem hat Ulli Zelle vom RBB ja gerade erst zum 1. Mai aus der Oranienstraße berichtet.

Fitnessfaktor: Null. Mit einer Route vom Oranienplatz bis zum Heinrichplatz liegt der Kreuzberger CSD mit einer Streckenlänge von gefühlten 50 Metern quasi unterhalb jeglicher Nachweisgrenze im Themenfeld der körperlichen Betätigung. Somit dürfen alle teilnehmenden Transvestiten endlich ihre fiesesten Schuhe tragen und können später stolz in anderen Städten erzählen, dass sie mit den krassen Dingern einen ganzen Berliner CSD abgelaufen sind. Dass das nur circa fünf Minuten gedauert hat, muss ja keiner wissen. Wie man allerdings auf der kurzen Strecke betrunken werden soll, ist unklar.

Promifaktor:
  Erfahrungsgemäß trifft man hier die gesamten DJ- und Live-Bookings von Partys wie „Hot Topic“, „Ich bin ein Berliner“ oder „Gegen“. Wer Judy Winter sehen möchte, sollte woandershin gehen.

Flirt-/Sexfaktor: 2 von 10. In Ermangelung von Bäumen und Büschen auf der O-Straße liegt die Sex-Wahrscheinlichkeit im Minimalbereich. Wenn man aber auf eine der umliegenden privaten WG-Drogenpartys eingeladen wird, darf man auf Beischlaf hoffen. Auch wenn es bis zum nächsten Morgen im Berghain-Klo dauern könnte. Für Lesben sieht’s flirttechnisch deutlich besser aus, falls nach dem Dyke* March am Freitag überhaupt noch Libido übrig ist.

Versorgungslage: Sehr gut. Zwar kaum mobile China-Pfannen oder Wurschtbuden am Wegesrand, dafür aber jede Menge internationale Küche in den umliegenden Restaurants und Spätis en masse.

Hymne: „Take A Walk On The Wild Side“

Du bist hier richtig:
Wenn du queerpolitisch motiviert bist, den multikulturellen Kiezgedanken rund ums Kotti feiern oder einfach ein Hipster sein möchtest, wenn du ungern weite Strecken läufst oder wahnsinnig gerne unbequeme Schuhe trägst. Oder wenn dein Hostel schlicht um die Ecke liegt.

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Name: Eigentlich CSD, dann allerdings Stonewall CSD Parade 2014, seit dem 13.05. wieder CSD Parade 2014, morgen vielleicht schon Fanmeile oder Fashion Week ...

Orga: Berliner CSD e. V.

Motto:
„LGBTI-Rechte sind Menschenrechte“

Forderungen: Diskriminierung, Verfolgung und Kriminalisierung lesbischwultransinter* Menschen muss international geächtet und sanktioniert werden! Die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität gehören in den Artikel 3 GG! Gesellschaftliche Vielfalt muss aktiv gefördert werden! Lesbische Sichtbarkeit muss gestärkt und die gesamte lesbischwultransinter* Vielfalt stärker abgebildet werden! Gesellschaftliche Teilhabe von HIV-positiven Menschen! Unterschiede respektieren, Vielfalt genießen!

Route:
Ku’damm/Ecke Joachimstaler Str.–Wittenbergplatz–Nollendorfplatz–Lützowplatz–Großer Stern (Start 12:30, Endpunkt zu Redaktionsschluss noch unbekannt. Wir schlagen das Eisstadion Erika Hess vor.)


Wagengebühren:
je nach Fahrzeuggröße und Kategorie (Verein, Unternehmen, Partei) zwischen 50 und 2.500 Euro plus Umsatzsteuer

Dabei: Hier ist die eigentlich interessante Frage, wer alles NICHT dabei ist, denn aufgrund des Verhaltens des Vereinsvorstands samt Geschäftsführer Robert Kastl (eigenmächtige Umbenennung von CSD in Stonewall inklusive kurz-fristiger Rückumbenennung und geschäftlich-finanzieller Intransparenz) haben etliche ihre Teilnahme abgesagt: Diverse Parteien, die Berliner Aids-Hilfe, den LSVD und viele andere sucht man wohl diesmal vergeblich. Wer überhaupt noch mit einem Wagen am Start ist, wollte der CSD e. V. gegenüber Siegessäule geheim halten (kein Scherz).

Außenwirkung: Hoch. Etliche Journalistinnen und Journalisten werden sich erfahrungsgemäß für bunte Beiträge auf dieses Ereignis stürzen – die einen, weil sie noch nicht wirklich was vom Berliner CSD-Streit mitbekommen haben (ARD, ZDF), die anderen, weil sie eine Parade mit Amateur-Pole-Dancern und „schrillen Dragqueens“ scheitern sehen wollen.

Fitnessfaktor: Dieser CSD gehört zu den sportlichen der in der Hauptstadt, allerdings ist er auch der einzige mit einem größeren
Wagen-Aufkommen, schließlich wird hier ganz im Karneval-Style am Prinzip der Parade festgehalten. So gibt es mit etwas Glück immer wieder die
Möglichkeit, sich mit lautem Schreien und hysterischem Winken auf eines der vorbeirollenden Fahrzeuge zu schlagen. Die Auswahl an Wagen ist in
diesem Jahr allerdings deutlich geringer (siehe oben).

Promifaktor: Eines ist sicher, da der Vorstand des CSD e. V. im März auf einer Pressekonferenz den Regierenden Bürgermeister als Straftäter mit schwarzem Balken im Gesicht der Öffentlichkeit vorführte, wird Klaus Wowereit schon mal nicht da sein. Ansonsten stellt sich hier,
ebenso wie überall anders auch, die Frage: Ab wann ist ein Mensch prominent? 80 Prozent der in der Vergangenheit auf der aufgedonnerten Abschlusskundgebung präsentierten Bühnenacts waren es jedenfalls nicht. Von der ominösen VIP-Area ganz zu schweigen.

Flirt-/Sexfaktor: 9 von 10. Wer sich nicht so hat, kriegt auf diesem CSD Sex satt. Im Sektrausch – DAS Getränk dieser Pride-Variante –
laden die üppigen Grünanlagen des nahen Tiergartens zum erregten Verweilen ein. Aber Vorsicht, in den Büschen werden an diesem Tag gerne mal crazy Love-Parade-Hetenpornos gedreht!

Versorgungslage: Gut. Leichten Abzug gibt es für die lange Wegstrecke, die auf der Parade zurückgelegt werden muss – der Gang zur Toilette oder ein frisches Bier werden dabei hin und wieder zum Problem. Entschädigung
dafür bietet allerdings die Abschlusskundgebung. Da hier mit Würschten, Pilzpfannen und Puffern die ganze Kohle für die bereits erwähnten Liveacts
und alles andere reingeholt werden muss, ist die Auswahl an ebenso fettigen wie teuren Nahrungsmitteln riesig. Alles mit einem wässrigen Caipi
runtergestürzt, hat man noch lange was davon. 

Hymne: „Dieser Weg (wird kein leichter sein)“ Du bist hier richtig: Wenn du
möchtest, dass zumindest beim Berliner CSD alles beim Alten bleibt, die Love-Parade vermisst oder extra aus Braunschweig angereist bist und gerne mal halb nackte Homos auf Wagen tanzen sehen willst.

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Name: CSD Berlin 2014

Orga: Aktionsbündnis CSD Berlin 2014

Motto: „Respekt vor Vielfalt! Rollback verhindern! Menschenrechte in Deutschland, Europa und der Welt garantieren!“

Forderungen: Laut Pressemitteilung des Bündnisses sollen „durch die Teilnehmenden an der Demonstration die inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt werden“.

Route:
Los geht’s um 12:00 vor der Botschaft von Uganda und Sambia in der Axel-Springer-Str. 54 a/Ecke Leipziger Str., dann bei den Russen vorbei, auf einen Sprung zur Landesvertretung von Baden-Württemberg, vorbei an Holocaust- und Homomahnmal und dann schnurstracks über gefühlte weitere 100 Botschaften zum Lützowplatz und zur Abschlusskundgebung Eisenacher / Ecke Kleiststraße.

Wagengebühren: keine

Dabei: Alle, die das Verhalten des Vorstands des CSD e. V. untragbar fanden: Berliner Aids-Hilfe, die Schwusos, der Berlin Leder und Fetisch e. V., der LSVD, die Begine, die BVG etc. Die queere Linke kommt doch nicht, die sind kürzlich wegen irgendwas eingeschnappt, ausgetreten und bleiben nun zu Hause.

Außenwirkung: Da im Gegensatz zu den anderen mitstreitenden Festivitäten diese hier neu ist, lässt sich das schwer im Vorfeld sagen. Sollten einige der DemonstrantInnen allerdings beschließen, sich nackt an die CSD-, äh, CDU-Zentrale zu ketten, um gegen Homoheiler und christliche Werte zu protestieren, könnte das die mediale Aufmerksamkeit sprunghaft nach oben schießen lassen. Freiwillige bitte melden.

Fitnessfaktor:
Unfassbar. Da sich diese CSD-Demo vorgenommen hat, an einem Nachmittag quasi durch neun Länder, zwei Bundesländer und bei Angelas Hauptquartier vorbeizurasen, ist dieser Zug der „Iron Man bzw. Woman“ unter den Berliner Pride-Veranstaltungen.

Promifaktor: Bruno Gmünder. Zählt das? Falls nicht: Klaus Wowereit soll angeblich dabei sein. Aber mal ehrlich, who cares about Promis??

Flirt-/Sexfaktor: Mies. Das hier wird kein Spaß, sondern eine Demo, verdammt! Sollten einige der DemonstrantInnen allerdings beschließen, sich nackt an die CDU-Zentrale ...

Versorgungslage: Stullen einstecken!

Hymne:
„Geh die Straße“

Du bist hier richtig: Wenn du „auf Missstände in der Menschenrechtspolitik national und international“ aufmerksam machen möchtest, nicht auf Vereinsmeierei stehst, das Gebaren des CSD-Vorstandes selbstherrlich findest und ihm zeigen willst, dass es auch anders geht. Oder schlicht, wenn du Robert Kastl vom CSD e. V. für den Antichrist hältst.

Alle Texte: Jan Noll

Kontakt und weitere Infos zu den jeweiligen CSDs unter:

kreuzberger.csd@gmail.com

csd-berlin.de

csd-berlin-2014.de

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