Der vierte CSD ist der kürzeste

Denial Cremer zeigt am 17.07. in der nGbK eine Pride-Simulation und erklärt im Interview, warum man sich davor fürchten muss
Denial Cremer schenkt Berlin einen vierten CSD, den kürzesten aller Zeiten! Drei Berliner CSDs im Juni reichten dem Künstler (Foto) offensichtlich nicht. Im Rahmen des Projekts „What is queer today is not queer tomorrow“ in der nGbK veranstaltet er deshalb am 17.07. seinen eigenen, den vierten. Die Pride-Simulation in der nGbK treibt die aktuelle Spaltung der Berliner Queer-Szenen ins Extrem und zeigt einen weiteren selbstberufenen schwulen Messias bei der Arbeit. Angekündigt sind jedenfalls Ego-Show, Mikro-Parade, Boy-Drag-Performance, Hoffest und nackte Ärsche.
Denial, was ist die Initialzündung für das Projekt des „vierten CSD“ gewesen? Ich habe den Wachstumsmarkt „Pride“ genau analysiert und festgestellt, dass Berlin gerade ein günstiges Terrain ist für queere Startups wie den Christopher Street Denial. Alles ist perfekt abgestimmt auf die Eigeninitiative weißer schwuler Männer, von denen die Community sich ja immer noch relativ widerspruchslos repräsentieren lässt. Roland Emmerich und seine Freunde verfilmen Stonewall, dieser Typ vom CSD Berlin e.V. versucht, ebendieses Stonewall an die Lufthansa und die Deutsche Bank als Label für deren alljährlichen Diversity-Werbe-Umzug zu verticken und auch die übrigen CSDs verdanken sich ja wahlweise einem gewissen unternehmerischen oder weltpolitischen Pioniergeist. Ich bin froh, dass es das alles gibt, aber ich glaube da geht noch mehr. Darum biete ich mich den Berliner Communitys als universelles Pride-Produkt an. Einer für alle. Ich bin eigentlich nicht besser als andere schwule Anführer, nur radikaler: Noch kürzere Wegstrecke, noch mehr Marktwirtschaft, noch weniger Politik, noch mehr Ego. Damit will ich die anderen MarktteilnehmerInnen Schritt für Schritt verdrängen.
Worauf dürfen die BesucherInnen sich freuen, was müssen sie fürchten? Alle müssen sich fürchten. Und dann komme ich und erlöse alle. Ansonsten ist die einzige Triggerwarnung: Die Performance wird scheiße. Es soll ein stark unbefriedigendes Gefühl zurückbleiben, damit man nächstes Jahr mehr will. Oder gar keinen CSD. Nie wieder DENIAL! Oder noch mehr Schmerz. Das müssen dann alle selber diskutieren. Wobei ich das eigentlich nicht zu weit treiben will: „Afflict the comfortable. Comfort the afflicted“ hat Paul Thek mal auf ein Bild gemalt. Ich hoffe, dass das klappt. Ansonsten können sich alle auf Merchandise, Wurstbude und Security freuen, wenn ich noch ein paar unbezahlte Mitglieder der Community dazu breitschlagen kann.
Ist es ein One-man-project oder performen mehrere Personen? Die Idee wurde entwickelt und organisiert in enger Zusammenarbeit mit Teilen des reizenden Heidy-Kollektivs, das die Ausstellung „What is queer today is not queer tomorrow“ in der nGbK kuratiert hat, in deren Kontext unser CSD stattfindet. Auf dem Podium stehe ich aber dann leider allein, weil es beim Christopher Street Denial eben nur um mich geht, um DENIAL. Da will ich andere nicht mit reinziehen – außer DJ Stecher. Und die, die sich wiederum während der Show von mir abspalten wollen. Denen steht das Podium natürlich jederzeit offen.
Interview: Frank Hermann
„Christopher Street Denial Berlin“, 17.07., 20:00, nGbK
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