BEWEGUNGSMELDER

Von Kahrs zu Maas

2. Aug. 2014
Dirk Ludigs (c) Tanja Schnitzler

Die Kolumne von Dirk Ludigs

Der Johannes Kahrs ist nicht nur ein feiner Kerl. Über den rechten SPD-Mann lässt sich auch weniger Feines sagen. Zum Beispiel, dass ihm 100 % Gleichstellung mir nichts, dir nichts den breiten Buckel runtergerutscht sind, als er im letzten Herbst mit den Unionschristen eine Koalition einging. Oder dass er viele feine Freunde bei Rheinmetall und Krauss-Maffei hat, die seinen Hamburger SPD-Unterbezirk mit Spenden fluten, weswegen, kann man vermuten, er der einzige Sozialdemokrat war, der 2011 für fortgesetzte Militärlieferungen an Saudi-Arabien gestimmt hat.

Aber all das hat den noch feineren Herrn Matthias Meisner, Politik-Redakteur vom Tagesspiegel nicht so gejuckt. Schlimmer fand Meisner es, dass Kahrs neben knapp 1.400 anderen auch ein paar schwulen Pornoseiten auf seinem Twitterkanal folgt, die ihm regelmäßig Nacktbildchen schicken und jetzt kommt’s: „Die abgebildeten Personen sind fast alle Jahrzehnte jünger als Kahrs. Ob sie bereits volljährig sind, lässt sich nicht immer mit Sicherheit sagen.“

„Man könnte Meisners Erguss den Text eines Spießers aus dem Berliner Ironie-Internat nennen ...“

Man könnte Meisners Erguss den Text eines Spießers aus dem Berliner Ironie-Internat nennen, der ziemlich genau wusste, dass er damit Aufregung und Aufmerksamkeit erzeugt. Und der vom Sommerloch inspirierte Versuch eines Skandals à la Edathy wurde zwar innerhalb von 24 Stunden zum Rohrkrepierer, zu offensichtlich luftmaschig hatte der Schmutzfink seine Indizienkette zusammengeklöppelt. Kein Fall für unser derzeitiges Sexualstrafrecht.

Doch schon nächstes Jahr hätte es für Kahrs eng werden können. Denn in unserer von der Idee der Freiheit zunehmend entkoppelten Gesellschaft findet schon seit Jahren eine Renaissance der Verbotsmoral statt. Achtmal wurde allein das Sexualstrafrecht von 1997 bis heute verschärft, den neunten Anlauf unternimmt gerade Kahrs Parteikollege und Justizminister Heiko Maas. Dessen „Lex Edathy“, wäre sie schon Gesetz, hätte durchaus ausgereicht, um aus dem Sommerloch-Lacher die nächste ehrabschneidende Politikerhinrichtung inklusive Aufnahme von Ermittlungen wegen eines Anfangsverdachts zu machen.

„Maas hat unter dem Deckmäntelchen des Kinderschutzes den Rufmord der Fünfzigerjahre im Gepäck.“

Maas’ Vorgängerin, die liberale Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht in dem Entwurf des SPD-Manns aus dem schönen Saarland die deutliche Gefahr, „dass es zu einer generellen Vermengung von Homosexualität und Pädophilie kommt, dass die öffentliche Verurteilung möglicher Beteiligter ausgedehnt wird und auch bei Unbegründetheit als Beschädigung des Rufes bestehen bleibt. Da die Beteiligung an Tauschbörsen mit Nacktbildern von Jugendlichen ohne gewerbsmäßigen Bezug ausgedehnt wird, steigt auch die Gefahr der öffentlichen Vorverurteilung.“

Alle diese Aspekte sind bisher auch in LGBT-Kreisen viel zu wenig diskutiert worden. Aus dem Verbot des Angebots machen Maas und seine Moralapostel von CDU und SPD peu à peu ein Verbot der Nachfrage, selbst der zufälligen. Das ist hochgefährlich für den Einzelnen, besonders in einer Zeit, in der sich Informationsflüsse in reißende Informationsströme verwandelt haben, in deren Strudel sich schnell untergehen lässt. Maas hat unter dem Deckmäntelchen des Kinderschutzes den Rufmord der Fünfzigerjahre im Gepäck. Höchste Zeit ihn zu stoppen!

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