Festival: Wigstöckel

Mehr als Glitzer

2. Okt. 2014
Gérôme Castell umringt vom Wigstöckel-Plenum 2014 © Alex Schlotterstein

Am 4. Oktober wird das Trans*-Spektakel „Wigstöckel“ volljährig. Im August 1996 fand das Event erstmals statt. Eine Reise durch die Geschichte verrät: Wigstöckel war von Anfang an viel mehr als eine glamouröse Drag-Party

– Der Stein kam ins Rollen, als „Wigstock – The Movie", ein Film über das gleichnamige New Yorker Trans*- und Drag-Event, in die Kinos kam. „Wir sind völlig aufgestylt in den Film gegangen", erzählt Gérôme Castell, die sozusagen die Mutter von Wigstöckel ist. „Ich weiß noch, wie lange das nachhallte, dieses Gefühl: Ich bin nicht allein!" Die Gruppe TransNett, zu der neben Gérôme unter anderem noch Uwe Klaassen und Zazie de Paris zählten, organisierte im SO36 die erste Wigstöckel-Party. Unter dem Motto „Transgender United" sollte eine Show mit viel Glamour, Trash und politischen Visionen entstehen. „Wir sind eine Randgruppe in einer Randgruppe", erklärt Gérôme. „Wir hatten es satt, auf Partydeko reduziert zu werden." Ein geschützter Raum sollte alle versammeln, die unter dem Überbegriff Trans* gefasst werden. Es ging darum, das Leben zwischen den Geschlechtern zu zelebrieren, auf der Bühne zu irritieren, mit Sehgewohnheiten zu brechen. 

Wigstöckel wurde von Jahr zu Jahr größer: Infostände und Redebeiträge kamen hinzu. Auch die Bühnenshows veränderten sich, mal verband sie ein Motto, mal waren es Theaterstücke. Bereits im Gründungsjahr war Wigstöckel explizit politisch: Auf der ersten Party wurde an die schwarze Transgender-Aktivistin Marsha P. Johnson erinnert, die sich während des Stonewall-Aufstands gegen die Polizeigewalt wehrte. Damit wurde der Finger auch auf den Homo-Mainstream gerichtet und hier vor allem auf tuntenfeindliche Schwule, die vergessen haben, was sie Drags, Tunten und Trans*frauen verdanken. 

Viel geändert hat sich wohl nicht. Uwe Klaassen, einer der Mitbegründer, übt scharfe Kritik: „Wenn selbst in queeren Medien Trans*menschen nur auftauchen, wenn sie Schönheitsidealen entsprechen, läuft etwas schief!" Er kritisiert auch die mangelnde Thematisierung von trans*spezifischen Problemen, wie Stress mit Krankenkassen oder Jobaussichten. „Oft geht es nicht um Glitzer, sondern ums nackte Überleben!" Viel mehr als Glitzer kann man dementsprechend auch vom diesjährigen Wigstöckel erwarten: Der Gewinn der Veranstaltung wird an Organisationen wie Transgender Europe gespendet. Neben vielen anderen werden Dieter Rita Scholl, Kay P. Rinha und Jayrome C. Robinet auf der Bühne performen. Auch Gérôme wird im Rampenlicht stehen, selbst wenn sie sich seit 2001 allmählich von der Orga zurückgezogen hat: „Irgendwann muss man sein Baby freilassen ..."

Paula Balov

„Wigstöckel“, 04.10., 20:30, SO36, Infos unter wigstoeckel.com

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