HIV IM DIALOG

Weiterhin gezielt aufklären

17. Sept. 2015
Foto: Manpack by Peter Dobias

Es gibt viel zu diskutieren beim Fachkongress „HIV im Dialog“: u.a. die Folgen der Asylpolitik, Entwicklungen im schwulen Drogengebrauch und die Konsequenzen verbesserter Therapiemöglichkeiten

Das Sexvokabular des schwulen Mannes ist seit einiger Zeit um ein paar Begriffe und Codewörter erweitert. Wer ein niedlich klingendes „chemfriendly“ in sein Datingprofil packt, sucht weniger nach experimentierfreudigen Chemiebaukasten-Besitzern, sondern nach einem konsumgeilen Liebhaber von Chemsexdrogen. Auf vielen Sexpartys laufen Ketamin, Crystal Meth, GHB & Co. den Oldschool-Sexdrogen wie Poppers und Ecstasy bereits den Rang ab. Hochburgen sind, so die kürzlich veröffentlichte europaweite EMIS-Studie, vor allem schwule Partymetropolen wie London, Amsterdam, Barcelona und Berlin. Und sogar die Drogenbeauftragte der Bundesregierung hat zwischenzeitlich mit Besorgnis registriert, dass „in einigen Kreisen homosexueller Männer ... ein zunehmender Konsum unterschiedlicher psychoaktiver Substanzen zu verzeichnen ist“.

Mittlerweile wird nicht nur geschluckt und gesnieft, sondern auch intravenös gespritzt (Slamming). Es gibt bislang zwar noch keine belastbaren Zahlen dazu, wie viele Männer in der Stadt diesen besonderen Kick suchen, aber deutliche Indizien und Signale, wie Stephan Jäckel von der Schwulenberatung Berlin erklärt. Für die offene Gesprächsgruppe zum Thema „Party, Sex und Drogen“ habe es gleich beim Start im April guten Zulauf gegeben. Und wie eng vernetzt beziehungsweise wie groß die Berliner Slamming-Szene ist, hatte einer der Teilnehmer an einem Beispiel deutlich gemacht: „Wenn ich jetzt auf Grindr oder Planetromeo eine Slam-Party poste, habe ich spätestens in einer halben Stunde vier, fünf Leute zusammen – egal an welchem Wochentag und zu welcher Tageszeit.“

Für Szeneeinrichtungen wie die Schwulenberatung sind Chemsexdrogen eine besondere Herausforderung. Denn die gesundheitlichen Folgeschäden, das Risiko von HIV- und Hepatitisinfektionen wie auch die Suchtgefahr sind hoch und konsumiert wird vor allem im privaten Rahmen. Die Schwulenberatung hat deshalb mit ihrem Präventionsprojekt ManCheck das Folsom-Europe-Wochenende für eine gezielte Aufklärungskampagne genutzt: mit speziellen Flyern über den sicheren Konsum solcher Drogen und dem Hinweis auf Beratungsangebote. 

„Wenn ich jetzt auf Grindr oder Planetromeo eine Slam-Party poste, habe ich spätestens in einer halben Stunde vier, fünf Leute zusammen“

Schwule Männer und Partydrogen sind auch eines der zentralen Themen bei „HIV im Dialog“, einem zweitägigen, keineswegs nur für Fachpublikum spannenden Fachkongress mit über 20 Symposien, Diskussionen und Streitgesprächen. Unter dem Titel „(K)ein Teil vom Ganzen“ soll gemeinsam mit Positiven, Experten und Interessierten ebenso über die Zukunft der HIV-Prävention gesprochen und diese vielleicht sogar komplett auf den Prüfstand gestellt werden. Denn mit der Präexpositionsprophylaxe, also dem Schutz vor einer HIV-Infektion durch die vorsorgliche Medikamenteneinnahme, zeichnet sich ein ähnlicher Zeitenwechsel ab, wie es ihn 1996 mit der wirksamen Kombinationstherapie gab und 2008 mit der Erkenntnis, dass HIV-Positive bei einer erfolgreichen Therapie nicht mehr ansteckend sind. Was dies für die Arbeit in und mit den einzelnen Zielgruppen, zum Beispiel für Test- und Beratungsangebote, zukünftig bedeuten wird, darüber will man sich im Roten Rathaus mit Fachleuten, Communityvertretern und Projektmitarbeitern austauschen und Ideen entwickeln.

Klare Ansagen und schnelles Handeln hingegen erhofft man sich von der Auftaktveranstaltung, zu der unter anderem die Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert (SPD), die Bezirksstadträtin Sibyll Klotz (Bündnis 90/Die Grünen) und Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) erwartet werden. Es geht um nicht weniger als ein Grundrecht, nämlich den Zugang aller Menschen zur medizinischen Versorgung. Denn der bleibt Verarmten oder Geflohenen ohne Krankenversicherung derzeit weitgehend verschlossen – mit fatalen Folgen für deren Gesundheit, insbesondere auch für HIV-
Positive. Die geplante Versicherungskarte für Flüchtlinge wird das Problem allenfalls lindern, aber nicht endgültig lösen können. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Verantwortlichen im Roten Rathaus ihrer politischen Verantwortung stellen werden.

Axel Schock

HIV im Dialog, 18./19.09., Berliner Rathaus

Eintritt frei, Anmeldung und Programm unter
www.hiv-im-dialog.de

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