Deutsche Oper: Ballett-Premiere mit Duato, Kylián und Naharin am 22.10.

Im letzten Teil des sinnlichen Ballettabends „Duato | Kylian | Naharin“ bekommt das Berliner Publikum mit „Secus“ endlich wieder eine Arbeit von Ohad Naharin zu sehen
Die „Gaga“-Tanztechnik aus Tel Aviv macht dem Staatsballett Beine: Mit „Secus“ ist eine Arbeit von Ohad Naharin zu sehen. Zuvor geht es in dem sinnlichen Abend um Kastraten und Orgasmen.
„Kastraten hatten oft ein schreckliches Leben, eine kurze Zeit des Ruhms, danach gerieten sie in Vergessenheit und starben meist verarmt und einsam“, sagt Nacho Duato im Gespräch mit SIEGESSÄULE. Der Intendant des Staatsballetts beleuchtet in seiner Choreografie „Castrati“ die dunkle Seite der engelsgleichen Stimmwunder aus der Barockzeit: „Viele der Jungen wollten nicht kastriert werden. Sie kamen aus armen Familien, die sie an die Kirche verkauften. Die brauchte die hohen Stimmen, weil Frauen in der Kirche nicht singen durften. Es ist eine der unrühmlichen Seiten in der Geschichte der Kirche, wovon es ja nicht wenige gibt.“ Der erzwungene Verlust der biologischen „Männlichkeit“: Das Thema bietet sich an, die Problematik der Kastraten im Licht einer zeitgemäßen Gender-Perspektive zu betrachten. Nach diesem Köder aber schnappt Duato nicht: „Der letzte Kastrat, Alessandro Moreschi, starb 1922. Das Problem ist also heute glücklicherweise Geschichte. Genial war aber die Musik. Vivaldis Kompositionen sind genau für diese Stimmen geschrieben worden, sind also ideal, das Problem der Kastraten zu reflektieren.“
Für den dreiteiligen Abend kombiniert der Intendant seine eigene Choreografie von 2002 mit Ohad Naharins „Secus“ und „Petite Mort“ von Jirí Kylián. „Der kleine Tod“, ein französisches Wortspiel für Orgasmus, spielt mit den aggressiven wie auch den verletzlichen Seiten von Sexualität. Soll dem Staatsballett endlich wieder eine ordentliche Portion Sex-Appeal verpasst werden? „Ballett sollte immer auch sexy sein oder, besser gesagt, eine gewisse Sinnlichkeit ausdrücken“, meint Duato ausweichend. „Sobald zwei Menschen auf der Bühne stehen, ob es nun Mann und Frau, zwei Frauen oder zwei Männer sind, entsteht eine sinnliche Beziehung. Sie müssen sich nur anschauen und schon wird eine Geschichte daraus.“
Auf mehr als nur intensive Blicke darf man sich bei „Secus“ von Ohad Naharin freuen. Der israelische Choreograf ist seit 1990 der kreative Kopf der Tel Aviver Batsheva Dance Company. Lange Zeit war in Berlin keine
Arbeit des weltweit gefragten Choreografen mehr zu sehen. Auch mit dem Staatsballett ist es die erste Zusammenarbeit. „Ich bin sehr froh, dass Ohad Naharin jetzt in Berlin für das Staatsballett arbeitet“, so Duato. „Ich denke, er ist einer der wichtigsten Choreografen zurzeit und darf in unserem Repertoire nicht fehlen.“ Naharins abstrakte Choreografie von 2005 ist ein rauschendes Fest. Er spielt mit Leidenschaften und Extremem, zeigt unbändige Kraft und die Lust am Moment. Um für „Secus“ gewappnet zu sein, haben sich 17 Tänzerinnen und Tänzer des Staatsballetts in „Gaga“ eingearbeitet, das von Naharin selbst entwickelte Bewegungskonzept. „Er arbeitet mit ganz anderen Bewegungsformen als etwa ich oder Jirí Kylián. Mit seiner Gaga-Methode nutzt er eine eigene Technik, um Emotionen durch Bewegung auszudrücken“, sagt Nacho Duato. „Für die Tänzerinnen und Tänzer ist es eine sehr wertvolle und bereichernde Erfahrung. Es wird ihnen auch ermöglichen, an das klassische Repertoire anders heranzugehen, in einer eher organischen Weise.“
Eineinhalb Jahre im Amt, steht der Nachfolger von Vladimir Malakhov sehr unter Druck: Zu unproduktiv, zu abwesend, ohne künstlerische Vision, so lauten die nicht unberechtigten Vorwürfe an Nacho Duato. Vielleicht kann Ohad Naharins leidenschaftlicher Gaga das Ruder ja herumreißen. Und sei es nur für einen Abend.
Carsten Bauhaus
Duato | Kylián | Naharin, Choreografien von Nacho Duato, Jiří Kylián und Ohad Naharin, 22.10. (Premiere), 23., 27., 29.10., 19:30, Deutsche Oper Berlin
staatsballett-berlin.de
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