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Trans-Frau flüchtet aus dem Libanon

22. Okt. 2015

Als Diva Maguy war sie in ihrer Heimat Beirut ein Drag-Star. Doch als die relativ queer-freundliche Stimmung im Libanon kippte, musste Maguy flüchten ... SIEGESSÄULE traf sie zum Interview

22.10. – Madonna und Marilyn Monroe waren die Paraderollen, mit denen Diva Maguy in ihrer Heimat Beirut auftrat. Doch als die relativ queer-freundliche Stimmung im Libanon kippte und der volle Name der 25-Jährigen Trans-Frau im Fernsehen genannt wurde, war irgendwann klar: Majd Merheby, von allen Maguy gennant, muss ihr Land verlassen. Nach über einem Jahr in Istanbul, ist sie vor knapp sechs Monaten über den Seeweg nach Berlin geflohen. „Ich wollte meinen Traum von einem freien Leben wahr machen und war bereit, dafür mein Leben zu riskieren“, sagt die Künstlerin und Stylistin im Interview

Maguy, warum hast du deine Heimat Libanon vor zwei Jahren verlassen?
Maguy: Ich hatte einige Probleme wegen meiner sexuellen Identität als Transgender und vor allem wegen meiner Dragqueen-Shows. Die Stimmung gegenüber LGBTIs wurde in den letzten Jahren immer negativer, ich wurde in den Clubs fotografiert und gefilmt, im Fernsehen wurde mein voller Name genannt. Daraufhin habe ich Probleme mit Freunden, meiner Familie und bei meiner Arbeit als Stylist bekommen, die ich damals noch als Mann ausgeübt habe. Nach einiger Zeit dachte ich mir: Wenn ich mir meinen Traum von einem freien Leben erfüllen will, muss ich den Libanon verlassen – auch wenn ich dabei mein Leben riskiere.

Du bist dann nach Istanbul geflüchtet. Warum?
Einfach deshalb, weil das relativ einfach geht. Es war aber von Anfang an klar, dass das nur eine Übergangslösung ist. Ich wollte ja nach Europa. 

Wie war die Zeit in Istanbul?
Die Stadt ist ja auch nicht ganz einfach, was LGBTI-Rechte angeht … Ja, es war schon hart. Es ist eben auch ein islamisches Land, in dem ich mein Leben als trans nur in sehr wenigen Räumen ausleben konnte. Gerade auch die Ereignisse rund um die Pride haben gezeigt: Eigentlich kann man in dieser Stadt nicht leben. Auf der anderen Seite ging es mir dort aber schon wesentlich besser als in Beirut.

Nach etwa 18 Monaten bist du dann nach Berlin geflohen …
Ja genau. Wobei man wissen muss, dass es dafür keine Garantie gab. Wenn man sich von der Türkei aus auf diesen illegalen und unglaublich gefährlichen Trip nach Europa begibt, ist nie klar, ob man am Ende in Deutschland, Österreich oder in einem anderen Land ankommt. In meinem Fall war es am Ende dann zum Glück Berlin.

Wie ging es dir nach der Ankunft in Berlin und was waren deine ersten Schritte?
Ich bin zum Lageso (Landesamt für Gesundheit und Soziales) gegangen, um Asyl zu beantragen. Ansonsten war ich natürlich schon auch traumatisiert von der Flucht und sehr depressiv. Es hat ein paar Wochen gedauert, bis ich das Ganze einigermaßen verarbeitet hatte und „vergessen“ konnte. Der LSVD und vor allem dessen Zentrum für Migranten, Lesben und Schwule MILES war damals eine echte Hilfe und ist es bis heute. Ich gehe dort zweimal pro Woche zum Deutsch-Kurs.

Du bist in einer Sammelunterkunft untergebracht. Wie ist es dort?
Am Anfang hatte ich ein eigenes kleines Zimmer, inzwischen teile ich mir eines mit einem syrischen Freund, den ich noch aus Beirut kenne. Wenn man das Zimmer verlässt, ist alles sehr frustrierend. Man spürt eine große Traurigkeit und erlebt traumatisierte Menschen.

Es gibt einige Berichte, dass LGBTIs von anderen Bewohnern diskriminiert oder sogar attackiert werden? Wie erlebst du das in deiner Unterkunft?
Ich hatte leider auch immer mal wieder ein paar Probleme mit anderen Bewohnern. Ich bleibe deshalb die meiste Zeit in meinem Zimmer und versuche, den anderen so weit es geht aus dem Weg zu gehen. Leider habe ich aber auch sonst schon transphobe Menschen erlebt, letztens zum Beispiel am Nollendorfplatz. Ich war am Telefon und als ein Mann meine tiefe Stimme hörte, hat er angefangen irgendetwas zu schimpfen.

Wie ist sonst zur Zeit dein Alltag hier in Berlin?
Das Wichtigste für mich ist, in Bewegung zu bleiben und nicht einfach nur zu warten. Deshalb bin ich eigentlich den ganzen Tag unterwegs, laufe herum, schaue mir die Stadt an, treffe Freunde, und ich arbeite auch als Künstlerin. Mir fällt immer etwas Neues ein. Im Dezember plane ich eine Ausstellung für Kinder.

Was sind deine nächsten Ziele?
Vor meiner Flucht aus Beirut hatte ich ein sehr erfülltes Leben. Ich machte meine Shows, arbeitete viel, war kreativ, gut vernetzt und ausgelassen. Mein Ziel ist es, nach all dieser schrecklichen Zeit, die hinter mir liegt, wieder zu der Maguy zurück zu finden, die ich früher war. Ich will mir eine neue Karriere aufbauen, Shows machen und für immer in Berlin bleiben. Ich liebe diese Stadt! Außerdem möchte ich eine Brust-Operation und meine Hormon-Therapie fortsetzen. Ich bin deshalb auch auf der Suche nach Trans*-Initiativen, die mich dabei unterstützen können.

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