Nightlife

Licht und Schatten: 8 Jahre Meschugge

12. Nov. 2015
© Hassan

Ende November verlässt Partyveranstalter Aviv Netter Berlin, um nach New Jersey/New York zu ziehen. Wir sprachen mit ihm in sehr persönlicher Weise über die Hintergründe

12.11 – Aviv, warum verlässt du Berlin?
Berlin war meine große Liebe. In Israel, wo ich aufgewachsen bin, hatte ich eine schwierige Zeit, und es ging mir nie wirklich gut. Als ich mit 23 Jahren nach Berlin kam, fingen die Dinge an, sich zum Positiven zu ändern. Ich habe immer dem Dienstagabend entgegengefiebert. Da gab es noch die Partys im Ackerkeller. Ich hätte mir vorher nie träumen lassen, dass es solche tollen alternativen schwulen Partys überhaupt gibt! Da hat mich Berlin gekriegt. Aber in den neun Jahren, die inzwischen vergangen sind, gab es viele schlechte Erfahrungen. Zu viele. Gebrochene Herzen, geplatzte Beziehungen, darüber hinaus ist mein bester Freund Santiago gestorben. Es reicht. Ich vermisse zudem eine gewisse Anonymität.

Inwiefern spielt das Partyleben eine Rolle bei deinem Weggang? Du warst schließlich kein Kind von Traurigkeit. 
Es ist schwierig für mich geworden, hier auszugehen. Vor Kurzem war ich bei Chantal. Das erste Mal seit zweieinhalb Jahren, obwohl die Party früher so was wie mein Wohnzimmer war. Ich war der erste DJ, der dort Pop auflegte, und Chantal hielt mich damals für verrückt. Aber es schlug ein. Nur als ich jetzt da war, habe ich mich unwohl gefühlt. Ich denke, ich bin nicht mehr die Person, die ich mal war. 

Du bist jetzt clean. 
Ja. Ich war in der Reha. Von 24 bis 29 habe ich jeden Tag Drogen genommen. Vor allem GHB. Jeden Tag. Und das macht dich zu einem anderen Menschen. Es hat funktioniert für mich. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Geschäftstermin, den ich am Tag nach einer Party wahrnehmen musste. Ich kam da vollgepumpt auf G und Koks hin. Der war ein voller Erfolg, weil ich nicht schüchtern war. Normalerweise bin ich nämlich eher schüchtern. So gesehen hatte ich die Zeit meines Lebens, und in dem Moment, als ich aufhörte Drogen zu nehmen, bemerkte ich, wie sich meine Energie änderte. Beim Auflegen, beim Weggehen. Es war nicht mehr das Gleiche. Zugegeben, ich vermisse das etwas. Aber ich weiß, der Körper kann das nicht ewig aushalten.

Wie man bei Santiago gesehen hat, deinem besten Freund. 
Das war das Schlimmste überhaupt. Ich weiß noch, zwei Monate bevor er starb, sahen wir zusammen einen Bekannten, der zuckend bei einer After Hour auf dem Klo lag. Das war zu einer Zeit, als immer mehr neue Drogen auf den Markt kamen, wie 2C-B. Und wenn dann Montag der Vorrat an eigenen Sachen aufgebraucht war, nahm man eben, was man noch kriegen konnte, ohne die Wirkung zu kennen. Santiago und ich schworen uns, als wir den Typen da liegen sahen, das nicht zu tun, zu widerstehen. Aber ich glaube, er hat das nicht geschafft ...

Doch es gab ja auch gute Momente, oder?
Ja, wie die Eröffnungsparty von „Cityboy“, wo ich auch zum ersten Mal als DJ jüdische Popmusik und Oriental auflegte. Von da an ging es ab. Diese Phase war die glücklichste meines Lebens. 

Ist das Kapitel Berlin dann für dich ab Ende November endgültig abgeschlossen? 
Ich sag es so: An sich bin ich nie wirklich nach Berlin gezogen. Für mich fühlen sich die neun Jahre an wie ein einziges verlängertes Wochenende. Keine Ahnung, wie es mir zudem in den USA ergehen wird. Wie viele Juden, die aus Israel wegzogen, kann ich mir auch nicht vorstellen, in die alte Heimat zurückzuziehen. Wenn ich aber jemals daran denke, dass ich nach Hause zurückkehren will, dann wird es Berlin sein.

Interview: Roberto Manteufel

„8 Jahre Berlin Meschugge“, 13.11., 23:30, Brunnen 70

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