Film

Romanze in Moll: „The Danish Girl“

2. Jan. 2016

Lili Elbe war eine der ersten Transfrauen, die sich geschlechtsangleichenden Operationen unterzog. Oscar-Gewinner Tom Hooper („The King’s Speech“) porträtiert sie in „The Danish Girl“

Kopenhagen, um 1910: Zum ersten Mal streift Lili Elbe Nylonstrümpfe über ihre Waden. Eben noch hat sie – die zu diesem Zeitpunkt offiziell Einar Wegener heißt und als Mann lebt – schüchtern abgewehrt, als ihre Partnerin Gerda sie bittet, für ein Porträt in weiblicher Kleidung Modell zu sitzen. Doch dann geschieht etwas Unerwartetes: eine zittrige Erregung ergreift jenen Menschen, der sich wenig später als eine der ersten Trans*personen outen und Lili Elbe nennen wird. Mit sichtlicher Lust am Opulenten dokumentieren die folgenden Szenen Lilis Erwachen. Sie wirft sich in stylishe Jugendstil-Roben, probiert Perücken aus, studiert auf der Straße feminine Gangart und Gesten ein. Bald schon begleitet sie Gerda in ihrer neuen Identität zu Ausstellungen und Künstlerbällen, wo sie als Einars Cousine vorgestellt wird. So weit, so lustig. In Lilis Mimik jedoch ist zu lesen: Was hier geschieht, ist mehr als ein frivoles Verkleidungsspiel. Es bereitet ihr immer größeres Unbehagen, in die Rolle des Landschaftsmalers Einar Wegener zurückzukehren.

Glücklicherweise hält sich „The Danish Girl“ nicht damit auf, nach Erklärungen für Lilis Transgeschlechtlichkeit zu suchen, sondern erkundet mal subtil, mal bildgewaltig die fließenden Übergänge zwischen Selbstdarstellung und Identitätsfindung. Bald jedoch stößt Lili an Grenzen – nicht zu vergessen, befinden wir uns in einer Zeit, in der Homosexualität als Krankheit galt und Trans* ein völlig unbekanntes Phänomen war. Die Mediziner, die Lili nach einer Weile des Doppellebens aufsucht, diagnostizieren wahlweise Schizophrenie oder Perversion, was Lili zutiefst verunsichert und in die Enge treibt. Einen Ausweg bietet schließlich der deutsche Arzt Kurt Warnekros, der Lili eine geschlechtsangleichende Operation vorschlägt. So wird Lili Elbe die erste dokumentierte Person, die im Jahr 1930 einen derartigen Eingriff vornehmen lässt.

Bildsprachlich überzeugt das Biopic voll und ganz – regelrecht verliebt erscheint die Kamera in Eddie Redmaynes androgyne Ausstrahlung, den betörenden Augenaufschlag und das subtil zwischen Lust und Verstörung changierende Mienenspiel seiner Interpretation der charismatischen Trans*-Pionierin. Noch schöner wäre es natürlich gewesen, Lili Elbe von einer Transfrau verkörpert zu sehen – doch letzten Endes ist „The Danish Girl“ eben Mainstreamkino, das lieber auf einen oscarprämierten Cis-Mann in der Hauptrolle setzt. So hat Regisseur Tom Hooper auch die Story leider arg auf leichte Konsumierbarkeit gebürstet. Gerdas lesbische Beziehungen werden völlig ausgeklammert. Auch wachte sie 1931 nicht aufopferungsvoll an Lilis Krankenbett, sondern war zu diesem Zeitpunkt bereits neu verheiratet und lebte in Marokko. Doch derlei Umstände passen natürlich nicht zu der tragischen Romanze, die Hooper mit klagenden Geigen unterlegt in den Fokus rückt. 

Komplexität entsteht vor allem dann, wenn Redmayne mit jeder Geste und jedem Blick darzustellen vermag, was es bedeutet, sich in eine neue Geschlechterrolle einzufinden und sie auch überzeugend für das Umfeld zu performen. Genau diese Nuancen sind es, die das Melodram dann doch noch aus dem Kitsch-Sumpf retten.

Anja Kümmel

The Danish Girl, UK/D/USA 2015, R.: Tom Hooper, ab 07.01. im Kino

Preview bei MonGay, 04.01., 22:00, Kino International

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