Nachruf

David Bowie ist tot

11. Jan. 2016
David Bowie © 1977 Jones / Tintoretto Entertainment Co. L.L.C. - Photographer: Sukita

Am Montagmorgen erreichte uns die traurige Nachricht, dass David Bowie am Sonntag, den 10.01., im Alter von 69 Jahren einem Krebsleiden erlag. Ein Nachruf von SIEGESSÄULE-Chefredakteur Jan Noll

David Bowie ist tot. Diese überraschende Nachricht verbreitete sich heute morgen wie ein Lauffeuer auf allen Kanälen. So viel gäbe es nun über die Relevanz seines Werkes zu sagen, so viel darüber, wie wichtig er in seinen etlichen Inkarnationen vor allem für die Emanzipation queerer Menschen war, wie nachhaltig er die Pop- und Rockmusik beeinflusst hat. Doch werden andere all das ohnehin tun, werden sein Schaffen umfassend darstellen, analysieren und beleuchten. Aus diesem Grund möchte ich mit meiner individuellen Bowie-Geschichte Abschied nehmen, denn wenn man den Sturm der Betroffenheit auf Facebook beobachtet, wird schnell klar, dass Bowies Tod in vielen einen ganz persönlichen Schmerz auslöst.

Ich wuchs in den 80er-Jahren auf, einem Jahrzehnt, das nicht unbedingt zu den herausragenden Schaffensperioden des Jahrhundertkünstlers gehörte. So waren Stücke wie „Absolute Beginners“ oder „Let's Dance“ die ersten Bowie-Songs, die es in mein Bewusstsein schafften. War ok, aber berührte mich nicht weiter. Ich war mit Sicherheit kein Bowie-Fan. Bis zu jenem denkwürdigen Tag irgendwann im Jahr 1990, als ich zum ersten Mal den Film „Wir Kinder von Bahnhof Zoo“ im Fernsehen sah. Nachdem ich bereits das Buch verschlungen hatte, war ich begierig darauf, den Film zu sehen. Ich erinnere mich noch genau daran, dass in der Szene, als Christiane und ihre Kumpels euphorisch taumelnd durch das nächtliche Europacenter laufen, mein Herz wild zu schlagen begann. Es war der Song, der in dieser Szene verwendet wurde, der abrupt die Türen zu meiner Pubertät aufriss wie ein Sturm, der an ohnehin schon lockeren Fensterläden rüttelt: „,Heroes'“ von David Bowie. Ich kaufte mit sofort die Platte und spielte den Song immer und immer wieder. Er war so voller Verheißung auf ein unbändiges und freies Leben abseits der miefigen Provinztristesse meiner westdeutschen Heimatstadt. Ich lebte damals noch in einer heterosexuellen Alibibeziehung – so man bei einem 14-Jährigen von „Beziehung“ sprechen kann – und nahm die Platte mit zu meiner damaligen Freundin. Wir tranken in ihrem Zimmer heimlich Bier, rauchten Zigaretten und hörten Bowie. Bei „Heroes“ durchfuhr mich wieder ein geradezu übermächtiger Impuls: Ich wollte raus aus dieser Beziehung, raus aus der heterosexuellen Klaustrophobie, raus aus dieser Stadt, wollte das Leben mit all seinen Versprechungen und Herausforderungen bei den Hörnern packen. Und auch, wenn es bis zu meinem tatsächlichen Coming-out noch ein paar Jahre dauerte, wurde mir doch in diesem Moment klar, dass ich anders war – und dass es da draußen offensichtlich Menschen gab, die genauso waren wie ich. Denn sonst wäre eine solche Musik nicht möglich gewesen. Alles lag in diesem Song. David Bowie wies mir den Weg heraus aus der Enge, brachte mir bei, dass es ein Privileg sein kann, anders zu sein. Ich werde es ihm nie vergessen. Mach's gut, geliebter Starman, und danke für alles.

Jan Noll

Bowie Berlin Trauerfeier, 15.01., ab 12:00, Meistersaal (ehemaliges Hansa Studio 2)

Sonderaussstellung „CITIZEN BOWIE Hommage to a Hero of Berlin“. Galerie Egbert Baqué Contemporary, 16.01.- 23.01., jeweils 12-21 Uhr.

www.berlin-contemporary-art.com

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