„Man wird sofort attackiert, wenn man das Thema Rassismus anspricht"

Rassismus ist auch in der Szene ein Problem. Wir haben uns mit Sänger und DJ Mavin (Foto) über das Thema unterhalten
Erst Ende August wurde Nina Queer, die auf Wahlplakaten der SPD zu sehen ist, Rassismus vorgeworfen wegen einer 2011 veröffentlichten Kolumne in der Du & Ich. Vertreter der Jungen Union echauffierten sich über Sätze wie: „Schwarze Männer verehren einen dicken weißen Weiberarsch wie der Inder eine heilige Kuh.“ Zu einem größeren Diskurs über Rassismus in der Szene führte das nicht. Zu unglaubwürdig ist die CDU in ihrer Empörung, zu offensichtlich wurde das Thema als Wahlkampfstrategie missbraucht. Über Rassismus in der Community wird schon seit langem diskutiert, zum Beispiel von Gruppen wie LesMigras, eine größere Auseinandersetzung mit dem Thema steht aber noch aus. Und gerade Dragqueens gehen damit oft leichtfüßig um. Afroperücken sind ein gern gewählter Look, zu dem Leoparden Outfits mit riesigen goldenen Ohrringen kombiniert werden. Oder es wird sich ein Kopftuch umgebunden, um auf der Bühne eine türkische Frau in einer Shownummer zu parodieren.
Warum solche Aneignungen durch Dragqueens problematisch sind, darüber sprach SIEGESSÄULE-Redakteurin Kaey mit dem DJ, Sänger, Produzenten und Songwriter Mavin. Seine Mutter ist Polin und sein Vater Afrikaner. Weil es kaum Kinder mit solch einem Background in Polen gab, entschlossen sich seine Eltern 1985 dazu, nach Berlin zu ziehen, in der Hoffnung, dass er hier kein Aussenseiter ist. Auf seinem Facebook-Account berichtet Mavin allerdings immer wieder von Alltagssituationen, in denen er mit Rassismus konfrontiert wird.
Wieso ist es problematisch wenn man als Dragqueen einen Afro aufsetzt?
Über den Afro hat man sich Jahrhunderte lang lustig gemacht. Natürlich krauses Haar galt als schmutzig und ungepflegt. Mittlerweile stehen immer mehr erfolgreiche schwarze Frauen zu ihrer Haarstruktur und der Look gilt als cool und wird in Zeitschriften vermarktet. Es ist plötzlich angesagt, wie die Sängerin Jill Scott oder die Schauspielerin Lupita Nyong'o auszusehen. Das ist erst einmal ja sehr unschuldig und man zeigt, dass man diese Personen toll findet. Aber letztendlich eignet man sich so eine Kultur an, zu der man nicht gehört. Es ist auch in gewisser Weise Ideenklau.
Es geht also um kulturelle Aneignung. Führt denn so eine Sichtweise nicht dazu, dass Unterschiede hervorgehoben werden? Anstatt sich einander anzunähern? Haare sind ja irgendwie auch nur Haare.
Das mag sein. Aber Schwarze wurden Jahrhunderte von Weißen unterdrückt. Jeder kennt die Geschichte der Sklaverei. Es war also schon immer so, dass Weiße die Schwarzen unterdrückt und ausgebeutet haben und ihnen vieles vorenthalten oder weggenommen haben. Und auch heute geht das noch immer so weiter, weil die meisten Weißen eben denken, sie haben ein Recht darauf, sich Dinge einer anderen Kultur anzueignen und diese dann auch noch zu vermarkten und damit Geld zu verdienen. Doch das Einzige, was Schwarze in der Zeit ihrer Unterdrückung hatten, war ihre Kultur und eben auch ihr Körper.
Gerade Dragqueens benutzen oft das Argument, sie spielen nur eine Rolle, oder es ist Satire oder manchmal auch eine Hommage an Frauen, die sie vergöttern. Was denkst du darüber?
Wenn man sich als Diana Ross verkleidet oder sich als türkische Frau mit Kopftuch auf die Bühne stellt, ist das ein Politikum. Du musst dir klar sein, dass Leute sich darüber aufregen. Ich bin der Meinung, dass das Thema Rassismus in Deutschland noch immer viel zu sehr ignoriert oder als lächerliches, „übersensibles“ Gehabe abgetan wird. In Amerika gibt es da ein ganz anderes Level, weil es viele Generationen gibt, die dort aufgewachsen sind. Hier in Deutschland werden wir ja
gerne alle über einen Kamm geschoren und nur kollektiv als Ausländer (egal ob Türken, Araber, Afrodeutsche oder Asiaten usw.) auf der einen und die Deutschen auf der anderen Seite dargestellt. Außerdem wird man sofort attackiert, wenn man solche Themen anspricht so nach dem Motto: Hab dich mal nicht so. Es wirkt immer irgendwie, als wäre man eingeschnappt, wenn man Kritik übt. Grundsätzlich wird dann oft gesagt: Wir meinen das nicht rassistisch, du verstehst uns falsch.
Warum ist das ein Problem, wenn ein weißer Mann eine Türkin mit Kopftuch spielt?
Es gibt in Deutschland sicherlich und offensichtlich genug Menschen mit Migrationshintergrund die u. a. auch Schauspieler oder Dragqueens sind. Ich glaube schon, dass wenn solche Leute (also wir mit Migrationshintergrund) die Gelegenheit oder Plattform geboten bekommen, überhaupt solche Rollen zu spielen, dass es noch einmal ganz andere Nuancen ergeben wird, weil man im Grunde alles aus erster Hand erfährt. Pragmatisch gesehen nimmt man ihnen/uns praktisch den Job weg. Diese Diskussion gibt es ja auch schon lange in Hollywood. Schwarze Schauspieler werden selten als Filmheld besetzt und somit wird ein ganz bestimmtes Bild erschaffen. Man platziert in den Köpfen der Menschen die Idee, dass man nur ein Held sein kann und die Welt retten kann, wenn man weiß ist. Hashtag 'OscarsSoWhite' usw.
Interview: Kaey
Mavin arbeitet gerade an seinem ersten Soloalbum, von dem er Auszüge bei unserer SIEGESSÄULE-Lounge „frisch gepresst“ präsentieren wird.
frisch gepresst - Die SIEGESSÄULE-Lounge, 07.09., 20:00, Monarch, Live on Stage: Mavin
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