Regenbogenphilantrophie

Das eigene Vermögen für die Community

13. Nov. 2016
Ise Bosch © Fin Porzner

Regenbogenphilantrophie ist die Bereitstellung privater finanzieller Mittel für gemeinnützige Community-Zwecke. Der 8. Fachtag zum hierzulande recht unbekannten Phänomen findet am 18.11. in Berlin statt

Die philanthrophische Kultur ganz allgemein ist in den USA sehr stark verankert, wo wohlhabende Privatpersonen durch Stiftungen die schönen Künste ebenso wie politische oder humanitäre Anliegen mit nicht unerheblichen Summen fördern. Galionsfigur der queeren Philanthropie von internationalem Ruhm war viele Jahre Tennisprofi Martina Navratilova, die als erste professionelle Athletin überhaupt ihr Coming-out hatte und sich seither für die Rechte von LGBTIs starkmacht.

Während sie schon viele Jahre in kleinerem Umfang Tennisschläger, Sportschuhe, Autogramme und Ähnliches für Benefizauktionen gespendet hatte, gelang ihr 1995 gemeinsam mit einer kleinen Gruppe Aktivistinnen der ganz große Wurf. In einem Interview mit Nanette Gartrell, die 2001 ein Buch über die Finanzierung lesbischen Aktivismus schrieb, erzählt Navratilova: „Damals waren wir fest entschlossen, einen Weg zu finden, uns die Wirtschaftskraft der lesbisch-schwulen Community zunutze zu machen, um humanitäre Ziele zu erreichen.“ Navratilova setzte eigenes Geld und ihren Namen dafür ein, Rainbow Endowment, eine Organisation für LGBTI-Anliegen an den Start zu bringen. Hauptfinanzquelle wurde eine Bezahlkarte („Rainbow Card“), die ähnlich heutigen Kundenkarten durch ihre Nutzung der Organisation Spenden in Millionenhöhe einbrachte.

Ise Bosch (Foto) ist selbst vielleicht nicht so berühmt wie Navratilova, stammt aber aus einer Familie, deren Name ebenfalls Weltruhm genießt. Als Enkelin von Robert Bosch ist ihr persönliches Hauptanliegen, mit dem eigenen Vermögen LGBTI-Anliegen zu fördern. Hierfür hat Bosch 2006 die Dreilinden GmbH gegründet. „Eine gemeinnützige GmbH gibt uns größere Freiheit als eine Stiftung“, erklärt sie im Gespräch mit SIEGESSÄULE. „Menschen, deren sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität und -ausdruck nicht der gängigen Norm entsprechen, werden in vielen Ländern der Welt diskriminiert und sind häufig Gewalt ausgesetzt. Ihren Schutz sowie grundlegende Menschenrechte zu verbessern ist das Ziel der Arbeit von Dreilinden“, so Bosch weiter. „Ich bin überzeugt davon, dass die Gesellschaft, egal in welchem Kulturkreis, lebenswerter und tragfähiger ist, wenn Geschlechterrollen weniger stark binär ausgeprägt und weniger hierarchisch angeordnet sind.“

Dabei sucht sich Dreilinden zugkräftige Partner wie beispielsweise die SOS-Kinderdörfer weltweit (das Wort „weltweit“ ist Teil des Namens, Amn. d. Red.) des Hermann-Gmeiner-Fonds Deutschland. „In der Zusammenarbeit mit SOS-Kinderdörfer ist ein Themenpapier zur sexuellen und geschlechtlichen Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen in der alternativen Betreuung entstanden“, erzählt Ise Bosch. Alternative Betreuung meint hier die Betreuung und das Aufwachsen außerhalb der leiblichen Familie. In „Rock? – Nicht für mich!“ wird erstmals im deutschen Sprachraum dezidiert das Thema LGBTI-Kinder im Zusammenhang mit internationaler Entwicklungszusammenarbeit vertieft beleuchtet. Für Bosch ist es ein zartes Pflänzchen, das es nun in der Verbreitung zu hegen und zu pflegen gilt: „Weltweit gibt es trotz der Anerkennung der UN-Kinderrechtskonvention wenig Erfahrung im Umgang mit LGBTI-Kindern. So entstand der gemeinsame Beschluss, mit SOS-Kinderdörfer weltweit dieses Thema zu pushen.“ Viele Anbieter von alternativer Betreuung, die im Rahmen der Kinderrechtskonvention arbeiten, tolerieren die Diskriminierung von Kindern aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechteridentität nicht. Dabei agieren sie häufig in Ländern, in denen Diskriminierung und Vorurteile in Gesetzen festgeschrieben, aber auch religiös und kulturell verwurzelt sind. Wie diese Kluft zwischen Rechten der Kinder, dem Anspruch der Organisationen und der Realität in den betroffenen Gesellschaften überwunden werden kann, ist nun Thema eines Fachtages, den Dreilinden und SOS-Kinderdörfer weltweit am 18. November in Berlin veranstalten.

Sonya Winterberg

8. Fachtag Regenbogenphilantrophie, 18.11., 10-18:00, SOS-Kinderdorf Moabit, Waldstr. 23/24

Mehr Infos unter
dreilinden.org

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