SIEGESSÄULE

Der SIEGESSÄULE-Jahresrückblick 2016

25. Dez. 2016

Die Redaktion der SIEGESSÄULE schaut zurück auf Highlights und Tiefpunkte des Jahres 2016

25.12.16 – Sind wir mal ganz offen und ehrlich: 2016, du warst eine Scheißkuh! Du kannst gehen. Selten war ein Jahr so geprägt von politischen Krisen, einer Vielzahl von Terroranschlägen wie in Brüssel, Bagdad, Nizza oder Berlin und dem Verlust wichtiger queerer KünstlerInnen. Doch bei aller Tragik gab es auch tolle Momente. Wir haben die Höhe- und Tiefpunkte für euch zusammengestellt

Der größte Erfolg

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© Tobias B

1. Carolin Emckes Dankesrede zum Erhalt des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels
Die lesbische Journalistin Carolin Emcke, die lange als Auslandskorrespondentin tätig war, erhielt den Friedenspreis vor allem für ihre Auseinandersetzung mit Gewalt, Hass und Sprachlosigkeit in ihren Essays und Berichten aus Kriegsgebieten. In ihrer Dankesrede bezog sie sich ausführlich auch auf ihre Homosexualität und den Umgang der Gesellschaft damit. „Verschiedenheit ist kein hinreichender Grund für Ausgrenzung“, sagte sie und kritisierte u. a. die ungleiche Rechtslage für Schwule und Lesben.

2. Der Gesetzesentwurf zur Rehabilitierung der nach Paragraf 175 verurteilten Homosexuellen, auch wenn er in einigen Punkten (Stichwort: Entschädigung) kritikwürdig ist
3. Zulassung der PrEP in Deutschland.
Ein weiterer Schritt Richtung Beendigung von Aids
4. Das umfangreiche queerpolitische Programm im Berliner Koalitionsvertrag
5. Die Eröffnung einer Unterkunft für queere Geflüchtete durch die Schwulenberatung

Der größte Tiefschlag

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1. Das Attentat auf den Szeneclub „Pulse“ in Orlando
Kein Ereignis erschütterte die LGBTI-Community so stark wie der Anschlag am 12. Juni in Orlando, bei dem 49 Menschen – vornehmlich aus der Latinx- und Black Community – ihr Leben ließen. Ein unglaublicher Akt der Gewalt, der die Community an einem Ort traf, der ihr eigentlich Freiheit und Sicherheit bieten sollte. Dass wir uns diese Schutzräume nicht nehmen lassen dürfen, auch dafür ist Orlando eine Mahnung.

2. Der Siegeszug des Populismus wie er sich u. a. am Triumph von Donald Trump bei der US-Wahl, dem Brexit oder den Wahlerfolgen der AfD in Deutschland zeigte
3. Die destruktiv geführte Facebook-Debatte
rund um unsere Podiumsdiskussion „Gute Lesbe – böse Lesbe“, in der sich Lesben und Trans*personen gegenseitig zerfleischten
4. Der politische Stillstand beim Thema „Ehe für alle“
5. Der überraschende Tod der queeren Ikonen David Bowie, Prince, Pete Burns und Alexis Arquette, die viel zu früh aus dem Leben schieden.
Nachtrag: Am 25.12. starb der britischen Popsänger George Michael in seinem Haus in Oxfordshire. Er wurde nur 53 Jahre alt

Der größte Berliner Flop

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© Sally B.

1. Die Berlin Queer Days
Als „neues Stadtfest im Zeichen des Regenbogens“ angekündigt, fristeten vom 15. bis zum 24.07. ein paar traurige Fressbuden auf dem Potsdamer Platz ein schäbiges Dasein. Trotz Szeneaufgebot im Booking der Bühne waren diese „Queer Days“ kaum mehr als ein Homo-Zoo mit Wurststation für vorbeistreunende Touris

2. Der Besuch von AfD-Politikerin Beatrix von Storch auf dem Lesbisch-schwulen Stadtfest geriet zur Lachnummer, weil sie nach kurzer Zeit vertrieben wurde und in eine Wohnung floh
3. Der Film „Desire Will Set You Free“
von Yony Leyser: Berlin als queeres Disneyland
4. Die grandios gescheiterte Crowdfunding-Aktion zum Musical „Berlin Non Stop“
5. „G-Tower“:
Angekündigt als schwuler Partytempel, war nach der Eröffnung bereits Sense

Die beste Party

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1. Pornceptual

Keine andere Party hat sich derart gemausert wie die Reihe des queeren Kollektivs Pornceptual. Spätestens mit dem Umzug vom Prince Charles nach Mitte im Frühjahr explodierte sie endgültig in puncto Größe, Laszivität, Spaß und Hemmungslosigkeit: Berlins Sodom für alle Geschlechter und sexuellen Orientierungen.

2. „Popkicker“ im SchwuZ: Jurassica Parka – glamouröse Gebieterin der Mainstream-Massen – machte die Sause zur erfolgreichsten monatlichen Partyreihe im SchwuZ
3. „Gegen“ im KitKatClub:
Auch nach Jahren will sich die queere Superfete nicht abnutzen
4. „Revolver“ im KitKatClub:
Die Circuit-House-Sause für alle, die es extraschwul lieben
5. „The 40ies“ im Kurhaus Ponterosa:
Selten sah man Lesben so ausgelassen und flirtfreudig

Das größte Bühnenhighlight

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1. „Frau Luna“ (Tipi)

„Frau Luna“ war unser persönliches Highlight: Die Crème de la Crème der Berliner Kleinkunst macht Paul Linckes Operette zum unterhaltsamen Glitzerinferno. Grandios!

2. „Die Perlen der Cleopatra“ (Komische Oper): Barrie Koskys Inszenierung der schrägen Operette mit der großartigen Dagmar Manzel zog mit der Premiere am 3.12. kurz vor Ende des Jahres noch in unsere Top-5 ein
3. „Meteoriten“ (Gorki): Queeres Theater höchster Qualität von Sasha Marianna Salzmann
4. „Entführung aus dem Serail“ (Deutsche Oper)
Annabelle Mandeng überzeugt in der Rolle des Bassa Selim
5. „Halt die Klappe, Rose“ (Rauschgold):
Herrlich schräges Live-Playback-Theater

Das beste Musikalbum

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© Jimmy King

1. „Blackstar“ von David Bowie
Zunächst ließ einen das Konzept von Bowies „Blackstar“ ratlos zurück. Als der Künstler allerdings nur zwei Tage nach Erscheinen des Albums am 10. Januar einem Krebsleiden erlag, wurde deutlich: Die düstere, progressiv-jazzige Platte thematisierte Bowies eigenen Tod. Ein Schwanengesang in absoluter Perfektion.

2. „Hopelessness“ von Anohni:
Kritik an politischen und gesellschaftlichen Missständen verpackt in verführerisch-geschmeidigen Electropop. Eine Künstlerin erfindet sich neu.
3. „Echo“ von Nils Bech:
Entrückter Falsettgesang trifft auf krachende Electrobeats
4. „Lemonade“ von Beyoncé:
Queen Bey lieferte ein reifes audiovisuelles Konzeptwerk
5. „Einhornrap“ von FaulenzA:
Trans*empowerment meets fett produzierte Hip-Hop-Beats

Der beste Film

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1. „The Neon Demon“ von Nicolas Winding Refn
Eiskalt-bedrohlich und zugleich atemberaubend schön ist Refns in der Modewelt von L. A. spielender Horrorthriller, der zudem mit einer faszinierenden Lesbenfigur aufwartet. Kaum ein Film polarisierte 2016 mehr: Bei der Premiere in Cannes erntete dieser verstörende Trip entsetzte Zwischenrufe und pure Begeisterung.

2. „Swiss Army Man“ von Dan Kwan und Daniel Scheinert: queere, mitreißende und extem eigenwillige Robinsonade mit Daniel Radcliffe, der eine furzende Wasserleiche spielt
3. „Florence Foster Jenkins“ von Stephen Frears:
Tolles Biopic mit Meryl Streep
4. „Théo & Hugo“ von Olivier Ducastel und Jacques Martineau:
Schwule Liebesgeschichte
5. „Transit Havanna“ von Daniel Abma:
Doku über Trans*personen in Kuba

Das beste Buch

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1. Raziel Reid: „Movie Star“

Nicht nur in seiner Heimat Kanada schlug das Debüt des Jungautors Raziel Reid große Wellen. Bissig, witzig und intelligent ist die Geschichte über den frühreifen Paradiesvogel und Außenseiter Jude, der dem Alltag durch Tagträume entflieht, in denen er zum Filmstar wird. Das „Frühlingserwachen“ der digitalen Generation.

2. Antje Rávic Strubel: „In den Wäldern des menschlichen Herzens“. Antje zeigt sich in dem Roman auf der Höhe ihres Könnens
3. Patsy l’Amour laLove (Hg.): „Selbsthass und Emanzipation“.
Erkenne dich selbst!
4. Yves Petry: „In Paradisum“.
Düster, makaber und entlarvend
5. Laurie Penny: „Babys machen und andere Storys“.
Kluge queer-feministische Theorie

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