Szene

Konflikte um Ausrichtung des Schwulen Museums: „Der Feminismus hat gesiegt“

22. Okt. 2018
Der neue Vorstand, v. l. n. r.: Dr. Farzada Farkhooi, Dr. Birgit Bosold, Jan-Claus Müller, Heiner Schulze, Ben Miller, Vera Hofmann, Christopher Izgin

Der Streit um die politische Ausrichtung des Schwulen Museums kulminierte Ende September in einer „Kampfabstimmung“ bei den Vorstandswahlen. Dirk Ludigs hat den Konflikt beleuchtet

Der seit Monaten zum Teil erbittert ausgetragene Konflikt um die zukünftige Ausrichtung des „Schwulen Museums“ (SMU) in Berlin ist bis auf Weiteres entschieden. Bei den Vorstandswahlen der Mitglieder des Vereins der Freundinnen und Freunde des Schwulen Museums in Berlin e.V. wurden Ende September in zwei Wahlgängen acht neue Vorstände auf zwei Jahre gewählt. Diese stehen für eine Fortsetzung und Weiterentwicklung der queerfeministischen Ausrichtung des Museums.

Neben den besonders heftig kritisierten Vorstandsmitgliedern Dr. Birgit Bosold und Vera Hofmann, gehören dem neuen Vorstand Dr. Farzada Farkhooi, Jan-Claus Müller, Heiner Schulze, Ben Miller, Christopher Izgin, und die Polittunte Brigitte Oytoy an. Es handelt sich um einen der jüngsten und geschlechtlich gemischtesten Vorstände in Berliner LSBTTIQ*-Vereinen.

Die Wahlen waren der bisherige Höhe- und vorläufige Endpunkt eines Konflikts um die politische Ausrichtung des Museums, der seit Anfang des Jahres immer stärker auch in der Öffentlichkeit ausgetragen wurde. Mehrere schwule Ehrenamtler hatten dem bisherigen Vorstand und insbesondere den beiden nun wiedergewählten Vorständen Dr. Birgit Bosold und Vera Hofmann in der Zeitschrift „Mannschaft“ Denkverbote, Mobbing, ja sogar „Rassismus gegen Schwule“ vorgeworfen. Die neue Ausrichtung des Museums ziele darauf ab, „alles Schwule auszuräuchern“. Die Aufarbeitung der schwulen Nachlässe im Archiv des Museums würde aus ideologischen Gründen verschleppt. Dazu kamen weitere unbelegte Vorwürfe von Misswirtschaft.

Vor den Wahlen zum neuen Vorstand hatten Bosold und Hofmann ihre Anhänger*innen über E-Mails und Facebook mit den Worten mobilisiert, es handele sich um eine „Kampfabstimmung“. Aufrufe, Mitglied zu werden und sich zur Wahl zu stellen, gab es auch von der Gegenseite. Für die acht Vorstandsposten traten insgesamt 16 Personen an, darunter prominente Berliner Schwule wie der Blogger Johannes Kram und der Filmemacher Jochen Hick. Beide scheiterten, wenn auch knapp. Schon nach dem ersten der zwei Wahlgänge hatten einige Vertreter des „schwulen“ Flügels die Mitgliederversammlung bereits verlassen.

Weder Hick noch Kram noch der profilierte Vorstands-Kritiker Mario Russo wollten für diesen Artikel Stellung nehmen. Auf die Frage, wie es denn nun mit dem SMU weitergehe, antwortete einer der Vorstands-Kritiker lediglich lapidar „Wie bisher!“

Das klingt nach Angst vorm Niedergang. Tatsächlich aber lässt sich der Konflikt angesichts des wirtschaftlichen Erfolgs der Ausstellungen des Museums nur schwer nachvollziehen. „Es waren nicht nur nie mehr Frauen* im Museum wie in diesem Jahr", sagt Dr. Birgit Bosold, „sondern wir schaffen, wie es aussieht, in diesem Jahr auch noch einen Besucher*innenrekord mit einem neuen Allzeit-Hoch in Bezug auf die Einnahmen aus dem Ticketverkauf.“

Die Vorständin Bosold sieht deshalb den Konflikt in einem anderen Zusammenhang: „Im Grunde werden im Schwulen Museum die Auseinandersetzungen geführt, die gerade in der ganzen Community laufen, z.B. im Konflikt um den Neubau am Südkreuz zwischen RuT und der Schwulenberatung, in der Debatte um lesbisches Gedenken oder in den Kontroversen rund um Beißreflexe: In ,der Community' wird um die Deutungshoheit, um die Verteilung von Ressourcen, um Sichtbarkeit und Macht gestritten.“

Das Schwule Museum sei dank seiner Neuausrichtung mittlerweile auf dem Schirm der internationalen Museumswelt: „Wir werden mit unserer Parteilichkeit, unserer Basiertheit in einer aktiven, diskussionsfreudigen Community als interessantes Modell dafür wahrgenommen, wie das Museum der Zukunft aussehen könnte, nämlich eine Plattform zu sein für gesellschaftliche Selbstverständigung, auf der relevante Konflikte ver- und ausgehandelt werden. Gleichzeitig ist auch die Berliner queere Community sehr international geworden, die unterschiedlichen Stimmen sind hörbar und sie stellen Ansprüche. Ich denke, das ist einer der Gründe für die aktuellen Tumulte in der Berliner Regenbogengemeinde“, so Bosold weiter.

Einer, der sich mit dem gar nicht mehr so neuen und nun bestätigten Kurs des SMU anfreunden kann, ist Mitbegründer Wolfgang Theis. Er sagt zur Vorstandswahl: „Ich finde das Ergebnis ganz wunderbar und freue mich, dass der Feminismus gesiegt hat. Die letzten Tage des Patriarchats sind nun auch im Museum angebrochen. Dem neuen Vorstand wünsche ich Standhaftigkeit, Zielstrebigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen die Zumutungen der Zeit und der Ideologien.“

Dirk Ludigs

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