Fisten: Sexpraktik von Schwulen und Lesben
In der Kurzdoku „The Figa“ von Jonesy und Jaime C. Knight erzählt die Queertheoretikerin Dr. Gayle Rubin über ihre Beobachtungen im queeren Club „The Catacombs“ in San Francisco, wo sich Fisten in schwulen und lesbischen Kreisen verbreitete. SIEGESSÄULE unterhielt sich mit dem Regisseur Jonesy darüber, was Fisting so besonders macht
Jonesy, du hast einen Dokumentarfilm über das Fisten gemacht. Wie kam es dazu? Ich habe für das schwullesbische Archiv „The One Archives“ in Los Angeles gearbeitet und traf dort auf meinen Kollegen Jaime C. Knight. Zusammen untersuchten wir die kalifornische Leder-Community und interviewten dazu Dr. Gayle Rubin. In den Gesprächen ging es dann viel um den Fisting-Club „The Catacombs“. Das war ja kein rein schwuler, sondern ein lesbischwuler Club.
War Fisten also eine Praxis, die von Schwulen und Lesben gleichzeitig – und gemeinsam – etabliert wurde? Das ist eine gute Frage. Speziell am „The Catacombs“ war, dass dort alle willkommen waren. Darüber hinaus bin ich mir nicht sicher. Zumindest bin ich weder persönlich, noch in meiner Recherchearbeit auf andere Orte gestoßen, in denen Fisten praktiziert wird, und in denen es geschlechtlich so gemischt zuging. Im Film spricht Rubin aber darüber, dass es beim Fisten nicht so sehr um Genitalien, sondern mehr um die Hand und das Loch geht. Und das ist etwas, mit dem sich beide Geschlechter gleichermaßen identifizieren können.
Rubin sagt, dass beim Fisten vor allem der Phallus verschwinden würde – und dass die Praxis sie deswegen sehr an lesbischen Sex erinnert ... Genau. Es gab im „The Catacombs“, wo Rubin ihre Feldforschungen durchführte, ein Crossover verschiedener Menschen und Geschlechter. Der Phallus trat stärker zurück und Fisten wurde etwas viel Größeres, ein Erleben des gesamten Körpers. Es war etwas, das über Körpernormen hinausging und sich vom reinen Ficken unterschied.
Rubin meinte auch, dass die Fisting-Community sich aus der Gegenkultur der 60er Jahre entwickelt habe – inklusive deren Drogenkonsum. Das war eines der interessantesten Themen für mich. Es gab in San Francisco Überschneidungen der Leder-Community mit der Hippie-Kultur. Die Drogen, die unter den Hippies konsumiert wurden, haben es erleichtert, neue Körpererfahrungen zu machen.
Galt das Fisten denn als ähnlich revolutionär? Rubin scheint das ja im Film anzudeuten. Definitiv, aus mehreren Gründen: Zum einen war es eine sehr extreme Form, Lust zu erzeugen. Das sah man schon an den Reaktionen der Leute, die in den 80ern das Fisten verantwortlich für die AIDS-Krise machen wollten. Es war außerdem ein sehr intimer Akt, der von einer kleinen Community an einem öffentlichen Ort, also in dem Club, gemeinsam erlebt wurde. Dabei handelte es sich, wie gesagt, um eine Community von Menschen, die anfingen, sich in ihren eigenen Körpern wohl zu fühlen. Eine meiner Lieblingsstellen im Film ist der Moment, in dem Rubin darüber spricht, wie diese Menschen sich weder für ihre Körper noch für eine Sexualpraktik schämten, die vom Rest der Welt womöglich als gefährlich oder gewaltvoll betrachtet wurde. Revolutionär war die Praktik auch, weil man den Körper auf eine ganz neue Ebene brachte. In dieser Hinsicht ging Fisten, wie Rubin das erklärt, über das Sexuelle hinaus – und war fast schon spirituell.
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