FILM

„Klänge des Verschweigens“, ab 26.9. im Kino

26. Sept. 2013
Willi Heckmann mit Akkordeon 1956 (c) Hans Padberg

Schweigen, Verdrängen, Verleugnen – Klaus Stanjek begibt sich auf die Suche nach seinem schwulen Onkel, einem KZ-Überlebenden

26.9. – Einmal geschieht es dann doch. Durch eine kleine unbedachte Randbemerkung auf einer Familienfeier erfährt der Dokumentarfilmer Klaus Stanjek, dass sein betagter Lieblingsonkel Wilhelm während der NS-Zeit zu Lagerhaft verurteilt worden war. Doch trotz hartnäckiger Nachfragen gelingt es Stanjek zunächst nicht, diese in seiner Familie herrschende Allianz des Schweigens aufzubrechen. Sein Angebot an den Onkel, dessen Geschichte filmisch aufzuarbeiten, lehnt dieser kategorisch ab: „Kein Film, solange ich lebe!“ Stanjek hat diesen Film nun doch realisiert, ohne dass ihm der 1995 verstorbenen Wilhelm Heckmann noch als Interviewpartner zur Verfügung gestanden hat.

Die Verwandtschaft verharmlost, beschwichtigt und weicht aus

Stanjeks Arbeitsvoraussetzungen für das geplante Filmporträt waren daher eher schwierig: Der Protagonist will sich nicht den Erinnerungen aussetzen, die Verwandtschaft verharmlost, beschwichtigt und weicht in den Gesprächen aus. Stanjek hat daher die Not zur Tugend erhoben und schildert in „Klänge des Verschweigens“ aus einer ganz persönlichen Perspektive seine mühsame Spurensuche. In Archiven fahndet er nach den Hintergründen, warum sein Onkel acht Jahre lange in den Konzentrationslagern Dachau und Mauthausen eingesperrt blieb. In Gesprächen mit anderen KZ-Überlebenden versucht er zu erfahren, wie das Leben als Homosexueller in den Lagern aussah und sein Onkel, ein Orchestersänger und Pianist, die Sklavenarbeit in den Steinbrüchen überleben konnte. Aus Archivmaterial, dem reichhaltigen Schatz an Privatfotos wie auch musikalischen Aufnahmen seines Onkels und den bedrückenden, weil entlarvenden Gesprächen mit den Verwandten montierte Stanjek einen auch ein visuell überzeugenden Film, der exemplarisch den Umgang der Kriegsgeneration mit ihrer Vergangenheit in der NS-Zeit erzählt.

Einmal wollte Klaus Stanjek dann doch noch den Onkel dazu bewegen, vor der Kamera über seine Erlebnisse in den Lager zu sprechen. In einem Archiv hatte er ein Foto aus dem Konzentrationslager Mauthausen entdeckt, von dem er hoffte, dass es Wilhelm Heckmanns Schweigen brechen könnte. Es zeigte eine gespenstische Szene: Auf einem Wagen wird ein Häftling zum Galgen gefahren, voran marschiert ein Orchester aus KZ-Insassen. Der Mann am Akkordeon ist Stanjeks Onkel. Der schaut nur einen kurzen Moment auf das Foto, wendet schnell den Blick und winkt ab. Wie schwer es ihm gefallen sein muss, diese Grausamkeiten zu überstehen und nach der Befreiung zu vergessen, wie schwer die verdrängten Erinnerungen ein Leben lang auf ihm gelastet haben müssen – all dass wird in dieser keine zwei Minuten langen Sequenz geradezu schmerzhaft deutlich.
Axel Schock

„Klänge des Verschweigens“. D 2012. Regie Klaus Stanjek. 87 min.

Kinostart 26. September, zu sehen im filmkunst 66, in den Hackeschen Höfen, den Eva-Lichtspielen und im Moviemento Kino.

Am 28.9., 19 Uhr wird „Klänge des Verschweigens“ im Moviemento in Anwesenheit des Regisseurs Klaus Stanjek sowie des Soziologen Dr. Alexander Zinn gezeigt.

Trailer zum Film

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