Musik

Im Berghain gab Lady Gaga den Star zum Anfassen

25. Okt. 2013
© Julia Schoirer

Mit „Achtung, Achtung!“ und „Fräulein!“, Vokabular aus trashigen Hollywood-Deutschland-Filmen, begrüßte Lady Gaga gestern ihre Fangemeinde in der Halle im Berghain. Zuverlässig überraschte sie wieder mit extravagantem Outfits, diesmal eine Mischung aus Cabaret und Marlene Dietrich. Allerdings: Zu Strapsen und akkurat gescheitelter Blondhaarfrisur trägt sie einen Schnurrbart — ihr Gender-Outfit, eine Hommage an Berlin, der Stadt in der sich die Lady offensichtlich ganz zuhause fühlt. Sie ist gekommen, um ihr neues Album „Artpop“ vor einem ausgewählten Kreis von Fans, Prominenz und JournalistInnen vorzustellen — und hat dafür ein neuartiges Konzept gewählt.

Mit Beginn des „Konzerts“ verschwindet sie erst einmal von der Bühne — um dann völlig überraschend mitten in ihrer Fangemeinde wieder aufzutauchen. Mit ihrer Entourage räkelt sie sich in einer kleinen Club-Sitzecke, schlürft einen Energy-Drink, umarmt Ihren Freund Michael Michalsky, groovt gemeinsam mit der enthusiastisch feiernden Masse und filmt dabei mit einer Handkamera. Nur hier und da singt sie tatsächlich mit, ganz wie ihr eigener Fan. Sie sei eben auch selbst nur ein „Monster“ — so ihre liebevolle Bezeichnung für ihre Fans. Ihr erklärtes Ziel: „Ein ganzheitliches Musikerlebnis“. Und tatsächlich gelingt es ihr: die Auflösung der ansonsten strikten Trennung zwischen Star und Publikum.

Sie kann es tatsächlich, singen!

„Das Internet ist eine merkwürdige Angelegenheit“, betont Lady Gaga. Und „Die Charts interessieren mich nicht“— ganz mag man diese Kehrtwende der ehrgeizigen Sängerin nicht abnehmen. Schließlich gilt sie mit ihrer Twitter-Manie als das Vorzeigeprodukt der neuen, virtuellen Musikwelt. Nun aber soll alles ganz anders sein: Sie setzt auf Tuchfühlung, umarmt ihre Fans und bedankt sich, offensichtlich spirituell hochmotiviert, für all die entgegengebrachte Liebe. Das neue Album bietet neben der üblichen Gaga-Sound-Soße auch einige Berghain-taugliche Song, mit satten, harten, schnellen Techno-Beats.

Erst ganz zum Schluss lässt sie am Flügel mit der Ballade „Gypsy“ alle verstummen, die kaum je eine richtige Stimme erahnen konnten: Sie kann es tatsächlich, singen! Vor dieser Einlage aber dürfen sie ausgesuchte Hardcore-Fans, viele in ihrem Outfit inspiriert von ihrem Idol, mit Fragen bestürmen. Gelegenheit für Lady Gaga zu betonen, dass ihre Bisexualität entgegen vielerlei Spekulationen kein reiner Marketing-Gag sei. Und anzukündigen, dass sie möglicherweise — wie schon bei Besuchen zuvor — später im Lab vorbeischauen wird: „It‘s Boys‘ night“. Dafür müsste sie sich allerdings dann noch weiter ausziehen. Das Thema am Donnerstagabend im Lab: Naked.
Carsten Bauhaus

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