MUSIK

„Warum soll ich wie der Heteromainstream sein?“

21. Jan. 2014
Boy George c Dean Stockings

Nach Drogenabstürzen, Gerichtsprozessen und DJ-Karriere meldet Boy George sich mit einem Reggae- und Popalbum zurück, „This Is What I Do“. Jan Noll traf den Künstler in Berlin zum Interview

George, Sotschi steht vor der Tür. Findest du es gut, dass einige MusikerInnen nicht mehr in Russland mehr spielen? Cher weigert sich, bei der Eröffnung der Winterspiele aufzutreten ...

Boy George: Ich muss gestehen, ich bin mir da selbst relativ unsicher. Ich war jetzt eine ganze Weile nicht mehr in Russland, obwohl ich da sehr oft aufgelegt hab. Ich weiß noch nicht genau, wie ich damit umgehen würde, wenn ich wieder dorthin eingeladen werde. Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich hilfreich ist, nicht hin zu gehen. Ich hab ein paar Freunde in Russland, die Homo-Aktivisten sind, ich muss das dann erst mal mit denen besprechen. Ich würde mich ganz nach denen richten. Freunde von mir haben eine Protestaktion in London organisiert und hatten alle diese T-Shirts mit Vladimir Putin drauf, die ihn irgendwie beleidigten. Sie wollten mir auch so ein T-Shirt geben aber ich sagte ihnen, dass ich mir nicht sicher sei, ob das wirklich eine Rolle ist, die ich spielen möchte.

Warum?

Ich möchte lieber intelligente Sachen machen. Ich würde mich lieber mit Putin hinsetzen, und mich mit ihm unterhalten, anstatt ihn einfach bloß zu beleidigen. Was soll das bringen? Als ich 19 war, hätte ich so was vielleicht gemacht, aber heute denke ich, dass man Dinge mit bloßer Angriffslust nicht löst. Ich weiß nicht, ob das hilft, zu sagen: Ich reise nicht mehr nach Russland, die sollen sich ficken! Vielleicht ist es besser, wenn man dorthin fährt und dann einfach nur würdevoll und schön ist. Vielleicht wäre es besser für Cher und Russland, wenn sie dort auftreten würde und dabei einfach nur großartig und überwältigend wäre. Cher könnte mit einem einzigen Putzkittel dort etwas derartig Politisches tun. Man spielt denen doch in die Hände, wenn man nicht hinfährt. Vielleicht wäre das ein wichtiges Statement, weißt du, was ich meine? Manchmal ist es der größte politische Akt, einfach nur man selbst zu sein. Und das wir mir immer klarer, je älter ich werde. Man muss erhobenen Hauptes durchs Leben gehen, das ist wichtig. Selbstliebe ist der größte Teil von Empowerment. Zu erkennen, dass nichts falsch mit einem ist. Ich unterstütze das Recht eines jeden Menschen auf Heirat zum Beispiel, ich möchte, dass Schwule und Lesben heiraten oder in die Armee dürfen, wenn sie das wollen. Ich persönlich will allerdings gar nicht in die Gesellschaft passen, ich brauch das alles nicht. Ich denke mir immer, warum soll ich wie der Heteromainstream sein? Eine der tollen Seiten am Schwulsein ist doch gerade, dass man nicht in die Armee muss, dass man eben keine Kinder bekommen muss, keine Familie haben muss (lacht). Aber ich kann das verstehen, dass es auch konservative Homosexuelle gibt und ich unterstütze ihr Recht, das zu tun, was sie tun möchten.

Die meisten Schlüsseltracks deiner Karriere waren Reggae-Stücke, „Dou You Really Want to Hurt Me“, „Everything I Own“ und so weiter. Auch auf deinem neuen Album gibt es viele Reggae-Tracks. Wie sieht deine emotionale Verbindung zu diesem Genre aus?

Ich liebe den Rhythmus und ich finde, dass dieser Style gut zu meiner Stimme passt. Ich habe mich in Reggae verliebt, als ich 14 oder 15 war. Reggae ist außerdem ein Musikstil, den ich gut kann. Es fällt mir leicht, solche Nummern zu schreiben, es fühlt sich vertraut an. Ich könnte wahrscheinlich jede Art von Musik machen, aber Reggae harmoniert einfach am besten mit mir.

Reggae und Dancehall werden ja häufiger mal als homophobe Musikgenres betrachtet.

Es ist nicht das Genre, die Menschen sind homophob.

Interview: Jan Noll

Das Album „This Is What I Do“ erscheint am 24.1. via Kobalt Label Services.

Das komplette Interview steht in der Februarausgabe der Siegessäule

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