„Das Thema ist zu heikel“

Die ehemalige Bundesligaspielerin Tanja Walther-Ahrens engagiert sich seit Jahren gegen Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit im Fußball. Im Interview spricht sie über die Wichtigkeit eines Coming-outs
Thomas Hitzlspergers Coming-out schlug hohe Wellen in den Medien. Wie findest du es, dass diesem Coming-out ein so großes Maß an Beachtung entgegenkommt?
Im Grunde eigentlich gut. Es war klar, dass es so einen Medienhype geben würde, aber es war auch klar, dass der schnell wieder abebbt. Die Frage ist, was jetzt damit passiert. Kann man das noch irgendwie benutzen, und wird es auch noch genutzt von Vereinen, Verbänden und so weiter, um einfach weiter am Thema dranzubleiben?
Die Reaktionen auf Hitzelsperger schwanken zwischen Lob für seinen Mut und Kritik für das späte Coming-out – nämlich nach seiner Karriere. Kannst du das verstehen, dass er es jetzt erst gemacht hat?
Ich kann das total gut verstehen. Ein Coming-out ist ja auch für Lieschen Müller und Otto Meier nichts Einfaches. Es hat schon seine Gründe, warum man da so viel drüber nachdenkt. Der eine macht es mit 17 und der andere mit 35, weil es halt eben nicht anders geht, und ich denke, das darf man jedem zugestehen. Und wenn du auch noch in so einer Welt lebst, wie Hitzelsperger im Fußball, wo einfach bestimmte Dinge so No-gos und Tabus sind, dann finde ich das durchaus legitim zu sagen: Vorher stand das nicht an oder war keine Thema oder wie auch immer. Aber er hat es ja jetzt gemacht, das ist doch das Entscheidende.
In seinem Interview mit der Zeit hat er das Thema Homophobie im Fußball eher verharmlost. Hättest du dir gewünscht, dass er zum Thema Homophobie im Fußball deutlichere Worte findet?
Ich glaube, ihm war es jetzt erst mal wichtiger, auf den Punkt zu bringen, dass er homosexuell ist. Und der Rest kommt wahrscheinlich später. Er hat ja auch gesagt, dass er sich engagieren möchte. Und da wird es bestimmt auch noch die eine oder andere Gelegenheit geben, bei der er was erzählen kann.
Im Februar gab es das Coming-out von der ehemaligen Nationalspielerin Steffi Jones. Das ist zwar wahrgenommen, aber lange nicht so heißt diskutiert worden wie das von Hitzelsperger.
Na ja, Steffi Jones hat ja Frauenfußball gespielt, das halten immer noch viele nicht für den „richtigen“ Fußball, deswegen ist es natürlich nicht von so einem Interesse. Und das andere ist: Wo ist die Neuigkeit? Wir sind ja sowieso alle lesbisch. Was ich schade finde, ist, dass dann oft behauptet wird, ein Coming-out wäre im Frauenfußball sowieso einfacher. Das glaube ich aber nicht. Alles, was anders ist, ist nach wie vor nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen, auch wenn das alle immer so schön behaupten.
Interview: Christina Reinthal
gekürzte Fassung, vollständiges Interview im Februar-Heft Siegessäule
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