Einmal um die Welt – mit den queeren Filmen der Berlinale

Dunkle Rachegeschichten, schwule Fußballer und verliebte Teenies – queere Filme bei der 64. Berlinale, vom 6. bis 16. Februar
Einer der sehnlich erwarteten Filme des Festivals dürfte das irische Drama „Calvary“ von John Michael McDonagh sein, dessen pechschwarze Cop-Komödie „The Guard“ bei der Berlinale 2011 als bester Debütfilm geehrt wurde. Nicht minder schwarz ist „Calvary“, in dem einem gutherzigen Priester im Beichtstuhl eröffnet wird, dass er in einer Woche ermordet werden soll. Jemanden aus der Dorfgemeinde dürstet es nach Rache, weil er als Kind von einem Pfarrer missbraucht wurde. An Flucht denkt der Priester allerdings nicht. Vor der atemberaubenden Kulisse Irlands begegnen wir jeder Menge verschrobener Charaktere, die in amüsant-zynischen Wortgefechten den Geistlichen mit ihrer Sicht auf die Welt herausfordern. Darunter sind auch schwule Figuren wie ein als Pierre-et-Gilles-Fantasie auftretender Rockabilly, der die größte Hure des Ortes ist.
Auch in Ira Sachs’ („Keep the Lights On“) neuem Film „Love Is Strange“ gerät die katholische Kirche unter Beschuss. Als Ben und George nach fast vierzig Jahren Beziehung in New York heiraten, verliert George seinen Kirchenjob als Chorleiter. Die beiden geraten in finanzielle Schwierigkeiten und sind schließlich gezwungen sich räumlich zu trennen. Der mit John Lithgow und dem großartigen Alfred Molina trefflich besetzte Film ist nach Sachs’ eigenen Aussagen sein „erster unverfälschter Liebesfilm“.
Der Hinduismus ist das Thema von „Papilio Buddha“, in dem eine Dalit-Gemeinde – unter ihnen auch queere Figuren – sich gegen ihre Diskriminierung innerhalb des indischen Kastensystems zur Wehr setzt. Der bereits 2013 auf dem Londoner Lesbian & Gay Film Festival gezeigte Film hat in Indien eine lange Zensurgeschichte hinter sich, die ihrerseits von der Unterdrückung dieser Bevölkerungsgruppe erzählt.
Angesichts der Debatte um Hitzlspergers Coming-out hätte sich der aus Ungarn kommende „Viharsarok“ kaum einen besseren Zeitpunkt aussuchen können, um in Deutschland seine Weltpremiere zu feiern. Es ist die Emanzipationsgeschichte eines schwulen ungarischen Fußballspielers, der trotz Homophobie und Ausgrenzung seine sexuelle Identität zu akzeptieren beginnt. „The Way He Looks“ über den blinden Teenager Leonardo, der sich in seinen Klassenkameraden Fabio verliebt, schlägt demgegenüber deutlich leichtere Töne an. Scheue Berührungen, unverstandene Signale und zwei Protagonisten, die noch niedlicher sind, als es ihre Vornamen vermuten lassen. Der brasilianische Regisseur Daniel Ribeiro variiert seine klassische Coming-of-Age-Geschichte auch durch das Thema Handicap nur geringfügig. Im Reigen der sympathischen Figuren ebenfalls mit dabei: die nicht ganz so attraktive Schwulenmutti, deren Suche nach dem Richtigen sich erwartungsgemäß noch schwieriger gestaltet als bei den Jungs.
Einer der wenigen Filme mit Trans*Figuren in diesem Jahr ist „Quick Change“, der erstmals einen Blick auf queere philippinische Subkultur wirft. Im Mittelpunkt der Geschichte steht eine Trans*Frau, die in illegale Geschäfte mit kosmetischer Chirurgie involviert ist. Und auch lesbisches Kino ist in diesem Jahr besonders rar gesät. Immerhin, Bruce LaBruce, der Meister im Aufspüren und Brechen sexueller Tabus, inszeniert in „Pierrot lunaire“ eine als Mann auftretende Frau, die dem Vater ihrer Geliebten ihre Männlichkeit beweisen will. Nach schwulen Nazis, Zombies und Gerontophilen nimmt sich LaBruce ein Werk der Kulturinstitution Arnold Schönberg vor, um es ordentlich durchzuqueeren.
Bleiben noch zwei Schaustücke der Berlinale zu erwähnen: Jalil
Lesperts aufwendig inszeniertes Biopic „Yves Saint Laurent“ über die jahrzehntelange Liebesbeziehung des manisch-depressiven Modeschöpfers zu seinem Lebensgefährten Pierre Bergé wird das Panorama-Special eröffnen. Und Karim Aïnouz’ Drama „Praia do Futuro“, in dem ein junger schwuler Mann seiner Liebe nach Berlin folgt und dafür seinen jüngeren Bruder im brasilianischen Fortaleza zurücklässt, ist leider der einzige Film mit LGBT-Bezug, der im Wettbewerb um den Goldenen Bären antritt.
Andreas Scholz
Am Montag, 3.2.,22 Uhr, präsentiert Wielnd Speck die queeren Filme der Berlinale im Kino International. Wetere Infos dazu hier: Termin MonGay
Ticket, Termine und weitere Infos zur Berlinale auf www.berlinale.de
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