Historiker Vojin Saša Vukadinović im Interview

Aggressiv und radikal: Die Schwarze Botin

21. Jan. 2021 Roberto Manteufel
Bild: Marcus Witte
Historiker Vojin Saša Vukadinović

Die Schwarze Botin ist heutzutage kaum noch jemandem ein Begriff, dabei war das Magazin eines der radikalsten Sprachrohre der neuen Frauenbewegung. Der Historiker Vojin Saša Vukadinović würdigt die Arbeit der damaligen Akteur*innen mit einem Sammelband – wir haben ihn gefragt, wie es dazu kam

Saša, erkläre einmal kurz, worum es sich bei der Schwarzen Botin genau handelt. Das war eine Zeitschrift aus West-Berlin, die originär von 1976 bis 1980 sowie von 1983 bis 1987 erschien. Sie war angetreten, um aus der neuen Frauenbewegung kommend eine Kritik an dieser zu formulieren. Die Redaktion hatte dem damaligen Feminismus attestiert, sich in Larmoyanz, Identitätssucht und geistiger Faulheit verloren zu haben. Die Artikel waren entschieden unsolidarisch, polemisch und satirisch – geschont wurde niemand. Zu den Beitragenden gehörten Autorinnen und Künstlerinnen wie Elfriede Jelinek, Christa Reinig, Rita Bischof, Eva Meyer, Silvia Bovenschen, Sarah Schumann und Gisela Elsner.

Warum war es dir wichtig, diese Publikation durch eine Anthologie zu würdigen? Schlichtweg, weil in der bundesdeutschen Feminismushistorie diese immense Lücke klaffte. An den Debatten der letzten Jahre hat sich zudem gezeigt: Es gibt kein Bewusstsein dafür, dass bewegungsimmanente Konflikte nicht nur auszuhalten, sondern explizit zu führen sind. Da ich Historiker bin, wollte ich daran erinnern, dass sich die Stärke eines politischen Milieus nicht über Harmonie und Konsens bestimmt. Für die Gegenwart ist das bekanntlich nicht unerheblich.

Denkst du nicht, es ist auch problematisch, dass du als cis Mann dich eines Themas angenommen hast, dessen Akteurinnen und Zielpublikum originär Frauen waren? Nein. An der Produktion der Schwarzen Botin war mit Volker Bruns ein Protagonist der Schwulenbewegung unmittelbar beteiligt, und die Wertschätzung der Zeitschrift seitens Schwuler wie auch Heterosexueller ist verbürgt. Zuspruch für das dokumentarische Vorhaben kam außerdem von allen noch lebenden Autorinnen bzw. von den Nachlassverwalterinnen der leider bereits Verstorbenen. Sie fanden diese Anthologie ausnahmslos dringlich – nicht zuletzt, weil heute als gefährlich oder brillant geltendes Denken im Vergleich zu diesen Texten doch recht zahm wirkt.

Was hätten wohl die beiden gestaltenden Triebfedern hinter der Botin, Brigitte Classen und Gabriele Goettle, dazu gesagt? Sie scheinen ja einen recht militanten feministischen Standpunkt vertreten zu haben. Die Militanz der Schwarzen Botin resultierte aus der Radikalität ihres Denkens und nicht aus identitären Befindlichkeiten. Auch Gabriele Goettle hat das Buchprojekt von Anfang an unterstützt.

Ein zentrales Momentum der Botin war die Opposition zur Emma. Denkst du, jetzt, vierzig Jahre später, hat sich ihre Kritik an Alice Schwarzer bewahrheitet? Schwarzers Zeitschrift besteht bis heute, als einziges Periodikum der neuen Frauenbewegung. Allerdings ist die universalistische Position von Emma politisch randständig und diversen Anfeindungen ausgesetzt. Als Classen und Goettle 1976 ihre Einwände formulierten, konnten sie nicht wissen, dass sich diese einmal aus ganz anderen Gründen erübrigen würden. Verglichen mit den pseudofeministischen Phänomenen und Positionen der letzten Jahrzehnte nimmt sich der Anspruch einer marktorientierten Zeitschrift, „sämtliche Frauen“ ansprechen zu wollen, harmlos aus.

Wie stellst du dir die Diskussion zwischen einer Vertreterin jener „harmlosen“ Positionen und Brigitte Classen vor? Classen hätte wohl für anregenden Tumult gesorgt. Dass die Lust an scharfer Auseinandersetzung, für die die Schwarze Botin stand, heute inexistent ist, ist tragisch. Auch deshalb also die Anthologie.

Vojin Saša Vukadinović (Hg.), Die Schwarze Botin. Ästhetik, Kritik, Polemik, Satire, 1976-1980, Göttingen 2020 (zweite Auflage 2021)

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