Pride

Alles neu beim Berliner CSD e. V.?

26. Feb. 2020 Paula Balov
Bild: Brigitte Dummer
Berliner CSD 2019

SIEGESSÄULE fragte den neuen Vorstand des CSD e. V., welche Veränderungen beim diesjährigen Pride geplant sind und ob die Situation in Thüringen auch Konsequenzen für den Berliner CSD haben wird

Beim CSD e. V. bewegt sich einiges in diesem Jahr: So wurde u. a. nach den Auseinandersetzungen um das Motto des letzten CSD das Verfahren zur Mottofindung modifiziert. Auch setzt sich der Vorstand mittlerweile aus einem komplett neuen Team zusammen. Bereits Oktober letzten Jahres waren drei neue Vorständ*innen gewählt worden: LGBTI*-Aktivist Ralph Ehrlich, der jahrelang im Vorstand der Berliner Aids-Hilfe war, Dana Wetzel vom Verein BiBerlin und Lutz Ermster, der allerdings schon einmal 2014 in den Vorstand gewählt wurde. Nachdem Ende letzten Jahres Bühnenkünstler Stefan Kuschner als einzig Verbliebener aus dem alten CSD-Vorstand ebenfalls von seinem Amt zurücktrat, rückte mit Jasmin Senken eine neue Person nach. SIEGESSÄULE-Autorin Paula Balov traf Ralph Ehrlich, Dana Wetzel und Jasmin Semken zum Gespräch

Im Oktober wurden neue Vorständ*innen gewählt. In der Zwischenzeit hat sich jedoch einiges verändert, beispielsweise ist Stefan Kuschner vom Amt zurückgetreten. Was ist der aktuelle Stand?
Dana Wetzel: Wir sind zu viert und arbeitsfähig. Wir finden, dass wir ein ziemlich tolles Team sind, das gut miteinander auskommt. Ich wurde neu in den Vorstand gewählt. Mir liegt am Herzen die Fußgruppen sichtbarer zu machen und das B von LGBTI* zu repräsentieren, dafür bin ich eingetreten. Ich würde mir wünschen, dass eine trans* oder inter* Person den Vorstand ergänzt. Aber die Leute reißen sich nicht um den Posten.
Jasmin Semken: Ich bin die Neueste und wurde Anfang des Jahres kooptiert. Als Stefan Kuschner zurücktrat, waren es plötzlich nur noch drei und eigentlich besteht der CSD-Vorstand aus fünf Personen. Ich kannte Dana und habe zu ihr gesagt: Mensch, lesbische Sichtbarkeit ist wichtig – da gehört doch noch eine alte Lesbe dazu! (lacht) Jetzt bin ich ein Teil vom Team.
Ralph Ehrlich: Ich wurde neu gewählt. Für mich als geborenen Berliner gehört der CSD einfach dazu, deswegen habe ich mich zur Wahl gestellt: Damit der CSD stattfinden kann, wie wir ihn kennen und lieben. Neben uns ist noch Lutz Ermster im Vorstand, der bereits 2014 das Amt hatte.

Ist das Team denn jetzt vollständig? Ralph Ehrlich: Wir suchen nicht aktiv nach einer fünften Person, weil wir bereits im Arbeitsmodus sind. Allerdings hören wir uns natürlich um und der Posten ist nach wie vor offen.

Was ändert sich organisatorisch und inhaltlich mit dem neuen Vorstand? Ralph Ehrlich: An der Struktur ändert sich wenig, allerdings wollen wir inhaltlich andere Akzente setzen. Nachhaltigkeit ist uns sehr wichtig: Im gastronomischen Bereich soll es kein Einwegplastik mehr geben. Müllvermeidung und Pflanzenschutz sind weitere Themen auf der Agenda. Außerdem haben wir ein neues Verfahren zur Findung des CSD-Mottos entwickelt.

„Bislang wurde für das Motto oft Solidarität mit Polen genannt oder die Verdrängung von queeren Strukturen im Nollendorfkiez“

Wie sieht die Mottofindung jetzt aus? Jasmin Semken: Wir rufen alle Menschen aus der Community dazu auf uns bis zum 29. Februar Themen zu schicken, die ihnen am Herzen liegen, mit einer kurzen Begründung. Wir versprechen uns davon, dass die Vorschläge inhaltlich fundierter werden und weniger aus einzelnen Wörtern oder Wortwitzen bestehen. Die meistgenannten Themen werden wir an die Community zurücktragen und daraus wird ein Motto kreiert. Bislang wurde oft Solidarität mit Polen genannt oder die Verdrängung von queeren Strukturen im Nollendorfkiez.

Wie werdet ihr den Spagat zwischen Politik und Kommerz meistern? Jasmin Semken: Wir haben die Wagenpreise für die Gewerblichen und Parteien um 60 Prozent erhöht, halten die Preise für Vereine und Verbände klein. Wir wollen möglichst communitynah arbeiten und den Nollendorfkiez stärken. Zum Beispiel sollen bei den Essensständen auf der Abschlusskundgebung lokale und queere Läden Vorrang bekommen.
Dana Wetzel: Ich beteilige mich regelmäßig an den queeren Vernetzungsabenden in der AHA, um auch mit kleineren Gruppen und Initiativen zusammenzuarbeiten. Es liegt mir am Herzen auch diese mit ins Boot zu holen.

Häufig wird kritisiert, dass sich wenig junge Queers beim CSD e. V. engagieren. Warum ist es so schwierig jüngere Menschen anzusprechen? Dana Wetzel: Viele junge Menschen wollen lieber projektbezogen arbeiten, während die klassische Vereinsarbeit langfristig angesetzt ist. Das erkennt man z. B. daran, dass die Volunteers, also die Menschen, die uns während der Pride Week unterstützen, in der Regel nicht älter als 25 sind.
Ralph Ehrlich: Wir wollen jüngeren Menschen deshalb in Zukunft die Möglichkeit geben uns zu begleiten und über die Schulter zu schauen. Sie können sich Vorstands- und Vereinsarbeit unverbindlich anschauen, um herauszufinden, ob das was für sie ist. Wir haben außerdem den Mitgliedsbeitrag gesenkt, um zugänglicher für jüngere Menschen zu sein.

Die Linke forderte die queere Community dazu auf die FDP und die CDU aufgrund der Kooperation mit der AfD in Thüringen vom CSD auszuschließen. Wie positioniert ihr euch dazu? Dana Wetzel: Wir haben direkt nach den Ereignissen in Thüringen eine Stellungnahme gemeinsam mit den Vereinen Enough is Enough, Liebe Wen Du Willst, Queerscene Berlin und BiBerlin verfasst, in der wir die FDP und CDU dazu auffordern sich von den Parteikolleg*innen in Thüringen zu distanzieren und sich klar gegen die AfD und gegen Diskriminierung auszusprechen. Wenn das nicht geschieht, haben wir uns vorbehalten die FDP und CDU vom CSD auszuschließen. Ich möchte das allerdings nur im äußersten Notfall tun. Mir ist lieber, dass ein Dialog mit den demokratischen Parteien stattfindet.

Interview: Paula Balov

CSD-Vorstand kurz vor dem Austritt von Stefan Kuschner, v. l. n. r.: Ralph Ehrlich, Lutz Ermster, Dana Wetzel, Stefan Kuschner

Bis zum 29.2.2020 gibt es noch die Möglichkeit politische Inhalte mit einer kurzen Begründung unter der Emailadresse community@csd-berlin.de einzureichen. Aus den Einsendungen werden die fünf meistgenannten Schwerpunkte ermittelt und aus diesen im Anschluss das Berliner CSD-Motto für 2020 entwickelt.

csd-berlin.de

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