Hommage an Filmemacher Lothar Lambert

„Berlins Antwort auf Andy Warhol“

7. Okt. 2022 Axel Schock
Bild: Verlag Gustav von Hirschheydt
Lothar Lambert mit Beate Hasenau und Stefan Menche (v.l.n.r.) bei den Dreharbeiten von seiner Tragikkomödie "Tiergarten" (1979)

Lothar Lambert ist ein Phänomen. Seit mittlerweile 50 Jahren produziert er im besten Sinne unabhängig. Er finanziert seine No-Budget-Filme nicht nur selbst, sondern ist auch Regisseur, Kameramann, Cutter, Standfotograf und nicht selten auch Schauspieler in Personalunion. Er selbst bezeichnet sich zwar als faul und sieht das Filmemachen lediglich als Hobby – und doch hat der Journalist seit 1971 nicht weniger als 40 Filme zustande gebracht. Der nächste, das semidokumentarische Werk „Stellenweise superscharf oder Der seltsame Dreh des Herrn Shoppi“, ist gerade in der Endproduktion.

Fast die Hälfte seines filmischen Œuvres wurde auf der Berlinale uraufgeführt, „1 Berlin-Harlem“ (1974) über die Erfahrungen eines GIs in West-Berlin, ist heute Teil der Filmsammlung des Museum of Modern Art. Dennoch hat Lambert hierzulande nicht die breite Anerkennung erhalten, die ihm gebührt.

Die Geschichten und die Darsteller*innen für seine Filme fand Lambert in seinem illustren wie großen Freundeskreis: Jede Menge Dragqueens, Transvestiten, Schwule und Sexarbeiter*innen, Migrant*innen und andere Menschen am Rand der Gesellschaft bevölkern seine Alltagsdramen und -komödien, erzählen von ihrer Suche nach Liebe, Sex und Anerkennung. Und immer wieder auch von ihrem Traum von Ruhm und Glamour. Dafür wurde Lambert wahlweise als Schmuddelfilmer abgetan, mal als „Berlins Antwort auf Andy Warhol“ und als „Ikone der Trash-Kultur“ gefeiert.

Ein „Schwuler, der Filme macht“

Fraglos sind Lamberts Produktionsweise wie sein Gesamtwerk einzigartig in der westdeutschen Nachkriegsfilmgeschichte und vergleichbar allenfalls mit Klaus Lemke und Rosa von Praunheim, wie der Filmhistoriker Jan Gympel zu Lamberts Filmschaffen anmerkt.

Doch anders als Praunheim habe sich Lambert „nie als schwuler Filmemacher“ verstanden, sondern allenfalls „als Schwuler, der Filme macht“. Und auch Praunheims Sendungsbewusstsein wie dessen Talent zur Selbstdarstellung sei Lambert abgegangen. Nachzulesen ist Gympels kundiger Essay in dem großformatigen und schwergewichtigen Band „Lothar Lamberts Moving Stills“, der nun anlässlich der gleichnamigen Ausstellung erscheint.

Zwei Jahre hat der Galerist Michael von Hirschheydt Lamberts Fotoarchiv aufgearbeitet, Hunderte Bilder digitalisiert, bearbeitet und damit einen kleinen Schatz gehoben. Der Großteil sind Standfotos, die während der Drehs aufgenommen und für Plakat- und Werbemotive benötigt wurden. Hinzu kommen jede Menge Schnappschüsse, die spontan am Rande von Dreharbeiten, bei Filmpremieren und auf Festivals entstanden.

Die Fotos manchen noch einmal deutlich, wie kontinuierlich manche Mitglieder der „Lambert-Family“ über Jahrzehnte hinweg in seinen Filmen mitwirkten, aber auch, mit welchen befreundeten Gaststars Lambert zusammenarbeitet, von der frühen Boney-M.-Sängerin Claudja Barry über Brigitte Mira und Evelyn Künneke bis Jim Jarmusch. Nicht zu vergessen Ingrid Caven und Rainer Werner Fassbinder, die anlässlich eines Berlinale-Screenings vor dem Zoo Palast posieren.

Wie in Lamberts Filmen sind auch in seinen Fotografien längst untergangene Welten bewahrt. Seien es die West Side Piers, die legendäre New Yorker Cruising Area, wo Lambert für „Now or Never“ drehte, oder Berliner Szenelokale wie der Wu Wu Club und das benachbarte Kleist Casino.

So erzählen die Fotografien Film- wie auch Stadtgeschichte, und es wäre zu wünschen, dass sie dazu beitragen, Lamberts Werk wieder mehr ins Bewusstsein zu rufen und neu zu bewerten. Denn kein anderer deutscher Filmschaffender hat bereits in den 70er- und 80er-Jahren Rassismus, Gentrifizierung, multikulturelles Zusammenleben oder sexuelle Identität gleichermaßen radikal wie selbstverständlich thematisiert.

Lothar Lamberts Moving Stills, 08.10.–02.11., Galerie Gustav von Hirschheydt

Vernissage: 07.10., 19:00

galerievonhirschheydt.de

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