„A Queer Divine Dissatisfaction“

Choreograf Jefta van Dinther im Interview über künstlerische Ruhelosigkeit

12. Nov. 2025 Carsten Bauhaus
Bild: Ben Mergelsberg
„Dark Fiel Analysis“ von dem Choreografen Jefta van Dinther

Vom 12. bis 23. November würdigt das HAU den schwulen Choreografen Jefta van Dinther. In der Werkschau „A Queer Divine Dissatisfaction“ werden frühere Arbeiten wie „GRIND“ und „Kneeding“ sowie sein neues Stück „Mercury Rising“ gezeigt. Im Gespräch mit SIEGESSÄULE spricht Jefta van Dinther über die Tanzszene, sein Publikum und die Herausforderungen seiner Wahlheimat

Jeftaa, du bist erst 45. Lässt dich die Ehrung mit einer Retrospektive nicht älter fühlen als nötig? Es lässt mich nicht alt fühlen, aber es hat mir durchaus bewusst gemacht, dass ich mit insgesamt 18 Choreografien schon ein ganz anständiges Werk geschaffen habe. Heutzutage werden Retrospektiven sowieso nicht mehr nur Künstler*innen am Ende ihrer Karriere gewidmet, sondern eher jüngeren.

Bild: Jubal Battisti
Der Berliner Choreograf Jefta van Dinther
„Das Zitat von dieser speziellen göttlichen Unzufriedenheit stammt von der Choreografin Martha Graham. (...) Es ist ein Gefühl, das ich teile: eine Art Jucken.“

Warum hast du deine Werkschau „A Queer Divine Dissatisfaction“ genannt? Das Zitat von dieser speziellen göttlichen Unzufriedenheit stammt von der Choreografin Martha Graham. Sie beschreibt das Wesen von Künstler*innen als ruhelos, getrieben von dem ständigen Bedürfnis etwas in die Welt zu setzen. Dabei hat sie „queer“ allerdings im althergebrachten Sinn benutzt, also als „merkwürdig“ oder „ungewöhnlich“. Es ist ein Gefühl, das ich teile: eine Art Jucken. Oft frage ich mich, warum ich immer noch weiter mache, jedes Jahr aufs neue Stücke kreiere – Choreograf zu sein ist kein einfacher Job. Und ich kann es nur mit dieser Ruhelosigkeit erklären, mit der man als Künstler*in irgendwie umgehen muss.

Wie hat sich deine Arbeit in den letzten 15 Jahren entwickelt? Auf gewisse Art hat sich nicht viel geändert, etwa wie ich mit dem Körper, der Wahrnehmung und Gefühlen arbeite. Aber mit der Zeit habe ich meine Arbeit mit anderen Elementen bereichert: Licht, Sound, Stimmen,Technik und Video. In meinen Arbeiten spielen sie neben dem Körper und der Choreografie eine gleichwertige Rolle, das ist zu so etwas wie mein Markenzeichen geworden.

Welches der gezeigten Stücke hälst du persönlich für besonders wichtig? Alle gezeigten Choreografien markieren einen Wandel in meinem Werk. Mit „Kneeding" habe ich 2010 meine eigene Stimme gefunden, mit „GRIND“ hatte ich 2011 meinen Durchbruch – was mir danach dann viele Möglichkeiten eröffnet hat. In „Dark Field Analysis” habe ich dann Fragen rund um Poesie, Science Fiction und Fantasy eingebracht. Was die Werkschau nicht beinhaltet, sind alle meine größeren Arbeiten, für große Bühnen und große Besetzungen – was aber einfach mit der Finanzierung zu tun hat.

Wie stark denkst du an die Wirkung auf das Publikum, wenn du ein Stück entwickelst? In den letzten Jahren ist es immer mehr der Gedanke an das Publikum, der mich antreibt. Es gab diesen Punkt in meiner Karieren als ich klar entschieden habe, nicht mehr nur Stücke für meine Kolleg*innen zu machen, also Stücke, die sich nur an Leute richten, die Teil der Kunst- oder Expat-Bubble sind. Ich wollte mich an ein breites Publikum richten – zum Beispiel … an meinen Mann, oder auch an die Freund*innen und die Familie meines Mannes. Ich beobachte auch sehr genau meine eigenen Gefühle, die entstehen, wenn ich meine Stücke anschaue und nutze das, um zu verstehen wie andere sie empfinden könnten.

„Ich glaube, dass man meine Stücke direkt Berlin zuordnen kann. Sie handeln oft von sozialen Spannungen, Subkulturen, Club-Kultur oder Queerness.“

Du bist in Utrecht geboren, lebst aber heute in Berlin. Welchen Einfluss hat die Stadt auf dein Werk? Ich glaube, dass man meine Stücke direkt Berlin zuordnen kann. Sie handeln oft von sozialen Spannungen, Subkulturen, Club-Kultur oder Queerness. Das Leben, was wir hier haben, ist voller Härten, aber auch voller Freude, voller Hedonismus. Von diesen interessanten Spannungen leben meine Stücken und das findet bei den Berliner*innen offensichtlich Widerhall: Meine Stücke sind immer ausverkauft. In diesem Sinne fühle ich mich als Berliner Künstler, nicht nur weil ich hier wohne und arbeite, sondern auch weil ich hier verstanden werde.

A Queer Divine Dissatisfaction
Werkschau von Jefta van Dinther
12.–23.11.
HAU1, Stresemannstraße 29, 10963 Berlin
HAU2, Hallesches Ufer 34, 10963 Berlin
hebbel-am-ufer.de/

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