Symposium

Covid 19-Pandemie verschärft Lage von queeren Geflüchteten

30. Apr. 2020 fs
Bild: Rasande Tyskar CC BY-NC 2.0 Quelle
„Leave no one behind“-Demo am 18.04. in Hamburg

Wie geht es queeren Geflüchteten in der Corona-Pandemie? Diesem Thema widmete sich ein Online-Symposium am 29. April. Diskutiert wurde unter anderem, warum der Shutdown gerade für LGBTI*-Asylsuchende verheerend ist – und was deshalb jetzt getan werden muss

„Die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf LSBTIQ+-Geflüchtete“ war der Titel eines digital stattfindenden Symposiums am 29. April. Insgesamt vier Gesprächsrunden mit verschiedenen Gästen fanden auf der Onlineplattform Zoom statt und wurden auch auf Facebook übertragen.

Organisiert hatte das Event Dr. Mengia Tschalaer/Universität Bristol in Zusammenarbeit mit u. a. der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und dem Lesben- und Schwulenverband (LSVD).

„Die EU hat zu langsam reagiert“

Was ist Verfolgung? Und wie beweist man sie? „Reicht“ es, wenn man fliehen musste, weil im Herkunftsland z. B. Homosexualität oder Transidentität mit Gefängnis bestraft werden? Diese Fragen bestimmen immer noch die Asylverfahren queerer Geflüchteter, erklärte zu Beginn des Symposiums der Rechtsprofessor Nuno Ferreira von der Universität in Sussex. Der Fakt, als queere Person aus einem Land geflohen zu sein, in dem z. B. gleichgeschlechtliche sexuelle Akte verboten sind, sei oft nicht Grund genug, um Asyl zu erhalten. Es werde davon ausgegangen, LGBTI* könnten ihre Identität doch einfach „verstecken“ oder untertauchen. „Dass es in ihrem Herkunftsland keinen sicheren Ort für sie gibt, wird nicht anerkannt.“

Diese ohnehin bestehenden Härten für queere Geflüchtete seien durch die Covid-19 Pandemie nochmals verstärkt worden. Die europäischen Institutionen hätten viel schneller reagieren müssen, um Asylsuchenden zu helfen, kritisiert Ferreira. „Es ist eine Schande, dass die EU hier nicht proaktiver war.“

Überfüllte Heime, Isolation und Anfeindungen

Nicht nur an den europäischen Grenzen, etwa in Griechenland, befinden sich Geflüchtete nach wie vor in überfüllten Camps, in denen Infektionsschutz kaum möglich ist. Auch innerhalb europäischer Länder leben viele in beengten „Sammelunterkünften“, die hygienische Standards unterlaufen. Anbid Zaman, der sich u. a. im Aktionsbündnis gegen Homophobie engagiert, nannte als Beispiel eine Unterbringung in Ellwangen in Baden-Württemberg, in der Infektionen mit dem Coronavirus innerhalb von Tagen rasant anstiegen.

Mangelnder Schutz und zugleich Isolation nach außen: wie das Symposium deutlich machte, ist diese Kombination gerade für queere Geflüchtete fatal. Durch das Kontaktverbot falle nun oft der Zugang zu Hilfsorganisationen oder zu Community-Strukturen weg, berichtete Anbid. Vor allem Queers, die in Heimen außerhalb großer Städte untergebracht sind, könnten LGBTI-feindliche Übergriffe nicht mehr melden und sich keine Hilfe mehr organisieren. Der Lockdown sei für viele ohne Vorwarnung gekommen und berge die Gefahr einer Retraumatisierung. „Wir LGBTI* Geflüchtete betreiben social distancing schon lange: vom Moment an, an dem wir erkannt haben, dass wir queer sind und unser Land verlassen müssen.“ Die Isolation könne da „sehr viel triggern, wenn du mit Fremden eingesperrt bist und nicht rauskannst.“

Mira vom VLSP (Verband für lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intersexuelle und queere Menschen in der Psychologie e.V.) berichtete von Fällen, in denen queere oder HIV-positive Asylwerber*innen Anfeindungen erlebten, weil angenommen wurde, sie seien „anfälliger dafür, sich mit Corona zu infizieren“. Auch Rassismus spiele natürlich eine Rolle: etwa in dem Vorurteil, People of Color wüssten nicht, wie man selbstverantwortlich Hygieneregeln einhält.

„Wir kennen das Gefühl, von Angst umgeben zu sein“

„Deutschland ist dafür bekannt, eines der besten Gesundheitssysteme der Welt zu haben,“ fügte Ahmed Awadalla, der für die Berliner Aids-Hilfe arbeitet, hinzu. „Das stimmt aber nur aus der Perspektive von Staatsbürger*innen oder von Personen, die die deutsche Sprache sprechen.“

In der jetzigen Krisensituation zeigten viele queere Geflüchtete auch eine große Stärke, mit den Widrigkeiten umzugehen: Aus der eigenen Biographie „kennen wir dieses Gefühl bereits, von Angst umgeben zu sein.“ Eine menschenwürdige Unterbringung und der Zugang zu Gesundheitsversorgung für Asylsuchende und Geflüchtete müsse aber endlich sichergestellt werden – vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie noch einmal mehr.

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